Die Farben der Sehnsucht
vor drei Jahren, als ich den Laden eröffnet hatte.
Ich habe sie kurz vor Weihnachten das erste Mal getroffen, als Susannah Nelson, die Besitzerin des Blumenladens nebenan, sie mitgebracht hatte, um mich kennenzulernen.
Bei ihr war es nicht der Krebs, der ihre Welt in den Grundfesten erschüttert hatte.
Es war der Tod.
Colette ist einunddreißig Jahre alt und Witwe. Ihr Ehemann Derek, Polizist in Seattle, starb vor etwas mehr als einem Jahr. Wenn ich davon erzähle, denken die meisten Menschen, dass er während eines Einsatzes ums Leben kam. Doch das stimmt nicht. Nach einem für Seattle so typischen Platzregen war er auf das Dach seines Hauses geklettert, um eine undichte Stelle zu reparieren. Niemand weiß, wie es genau geschah, doch offensichtlich rutschte Derek aus und fiel. Zwei Tage später erlag er im Krankenhaus seinen schweren Kopfverletzungen.
Seit Colette vor einigen Wochen eingezogen war, hatte sie nur ein einziges Mal über den Unfall gesprochen – so als wäre es zu schmerzhaft, über ihren Ehemann zu reden. Nach und nach lernte ich sie nun kennen und fand heraus, dass sie eine unbekümmerte Frau war, die gern und viel lachte – und dennoch schien ihr Schmerz manchmal beinahe greifbar zu sein. Überwältigend. Und ich verstand, wie sie sich fühlte. Ich erinnerte mich genau an die Qualen und an die Panik, die mich während meiner Krankheit erfassten, wenn ich mich fragte, was am nächsten oder übernächsten Tag geschehen würde. Colette ging voller Angst an ihr Leben heran – so wie ich es früher getan hatte. Ich wollte ihr Sicherheit geben und hoffte, dass meine Freundschaft ihr Freude und Trost vermittelte. Freundinnen wie Jacqueline und Alix hatte schließlich dasselbe für mich getan.
Susannah Nelson hatte Colette eingestellt, gleich nachdem sie das Geschäft, das früher als Fannys Flora l bekannt gewesen war, erstanden hatte. Colettes Mutter besaß früher selbst einen Blumenladen, und Colette hatte als Schülerin an der Highschool dort gejobbt.
Da ihr Haus praktisch direkt, nachdem es inseriert worden war, verkauft wurde, hatte Colette Hals über Kopf ausziehen müssen. Mein kleines Apartment verfügt über einen separaten Eingang nach draußen sowie über eine Tür, durch die man direkt in den Laden gelangt. Und es stand zu der Zeit leer, also trafen wir sofort eine Vereinbarung. Ich nahm an, dass sie nicht lange bleiben würde. Der Großteil ihrer Habseligkeiten war in einem Lagerraum untergebracht, und sie wollte sich während der folgenden Monate die Zeit nehmen, zu entscheiden, wo sie leben und was sie tun wollte.
Die Stufen knarrten, als sie herunterkam.
Seit Colette in die Wohnung gezogen war, teilten wir uns ab und an am Morgen eine Kanne Tee. Sie richtete sich nach meinem Zeitplan und kam vor der Arbeit kurz vorbei, um ein Tässchen zu trinken und zu reden. Ich genoss unsere gemütlichen, lockeren Gespräche.
„Der Tee ist fertig.“ Ich angelte mir eine saubere Tasse. Ohne zu fragen, schenkte ich ein und reichte Colette das dampfende Getränk.
„Danke.“ Colette lächelte, als sie es entgegennahm.
Sie war dünn – zu dünn. Ihre Kleidung war ein bisschen zu groß, doch mit ihrem Geschick bei der Auswahl ihrer Kleider und dem Styling gelang es ihr, das zu verbergen. Mir fiel es trotzdem auf, denn ich hatte früher dasselbe getan.
Ich mochte an Colette, dass sie entzückend war, ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein. Abgesehen von vorübergehenden Phasen, in denen sie sehr still sein konnte, war Colette warmherzig und freundlich. Ich ahnte, dass ihr alles glückte – was auch immer sie anfasste. Sie hatte nicht viel über den Job gesprochen, den sie aufgegeben hatte. Doch ich nahm an, dass es eine sehr viel anspruchsvollere Tätigkeit gewesen war, als Kunden in einem Blumengeschäft zu beraten.
Dass sie ihren alten Job aufgab, hing offenbar mit dem Tod ihres Mannes zusammen. Sie hatte mir erzählt, dass er vor einem Jahr, am vierzehnten Januar, gestorben war. Dieses Jahr hatte sie verstreichen lassen, bevor sie umwälzende Veränderungen in ihrem Leben angegangen war – sie verkaufte ihr Haus, war umgezogen, kündigte ihren Job. Einerseits wirkten diese Entscheidungen drastisch, doch andererseits vollkommen verständlich.
Colette trug ihr langes, dunkles Haar in der Mitte gescheitelt. Es fiel ihr bis auf die Schultern, wo es wundervolle Locken bildete. Bei ihr schien das Haar von ganz allein so zu fallen – anders als bei anderen Frauen, die Stunden damit
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