Die Farben der Sehnsucht
wussten nur wenige Menschen davon, aber Alix’ Mutter war wegen einer ganzen Reihe an Gesetzesverstößen im Gefängnis – und darunter waren Delikte wie Fälschung, die Verwendung ungedeckter Schecks und versuchter Mord. Und es war zudem nicht ihr erster Gefängnisaufenthalt.
Tom, Alix’ einziger Bruder, war an einer Überdosis Drogen gestorben, und zu ihrem Vater hatte sie seit ihrem zwölften Lebensjahr keinen Kontakt mehr. Soweit sie wusste, hatte er die ganze Zeit über keine Anstalten gemacht, sie zu treffen. Wenn es um das Thema Familie ging, fühlte Alix sich definitiv benachteiligt.
Sie betrachtete sich nicht als die typische Kandidatin für eine einzigartige Trauung in der Kirche. Doch irgendwie – beinahe ohne es zu bemerken – war sie in diese ganze verrückte Sache hineingerutscht. In diese … diese überborden de Inszenierung einer Hochzeitsfeier.
„Alix!“, rief Jordan. Er rannte ihr quer über die Blossom Street hinterher. Das Regenwasser spritzte hoch, als er sich seinen Weg zwischen den unzähligen Pfützen hindurch bahnte.
Sie hatte Jordan während ihrer Mittagspause in seinem Büro besucht. Eigentlich hatte es keinen Streit zwischen ihnen gegeben – obwohl sie kurz davorgestanden hatten … Alix gefiel es nicht, was aus der Hochzeit geworden war. Sie hasste es, keine Kontrolle darüber zu haben und dass ihr niemand zuhören wollte. Nicht einmal Jordan. Als sie bei ihrem Besuch vorhin bemerkte, dass er sie nicht hörte, sie einfach nicht verstand, war sie mit einem dicken Kloß im Hals aus seinem Büro gestürmt. Die Tränen, die in ihren Augen brannten, hatten sie ebenso überrascht wie der Wunsch nach einer Zigarette.
Sie ignorierte Jordans Rufen. Dank des Regens und des Windes konnte sie einfach behaupten, ihn überhört zu haben.
„Alix!“, schrie er und tauchte einen Moment später an ihrer Seite auf.
Sie verlangsamte ihren Schritt, und er ging neben ihr her. „Was war denn gerade los?“, fragte er. Offensichtlich hatte die Art und Weise, wie sie Hals über Kopf aus dem Büro gestürzt war, ihn verwirrt.
„Was genau meinst du?“, fragte sie, verärgert darüber, dass er selbst nicht darauf kam.
„Warum bist du einfach abgehauen? Wir waren mitten in einer Unterhaltung, und plötzlich bist du verschwunden.“
„Du hast mir nicht zugehört“ , erwiderte sie und sah ihn an. Dass der Regen ihr kurzes Haar vollkommen durchnässt hatte und das Wasser ihr übers Gesicht lief und das Kinn hinuntertropfte, störte sie nicht.
„Ich weiß nicht, warum du dich so aufregst“, begann er. „Ich …“
„Du weiß t es nicht?“, schrie sie und bemühte sich, ihre aufwallenden Gefühle unter Kontrolle zu halten. „Sollte ich nicht bei meiner eigenen Hochzeit auch ein Wörtchen mitreden dürfen?“
„Aber das darfst du doch.“ Er wirkte noch immer völlig durcheinander. „Ich erinnere mich, dass du erzählt hast, Jacqueline und Reese würden den Empfang in ihrem Country Club organisieren.“
„Und glaubst du, dass das eine gute Idee ist?“, fragte sie ihn.
„Ich glaube, dass das sehr großzügig ist.“
„Das stimmt, aber …“ Jacqueline und Reese hatten sich einfach wundervoll verhalten – in jeder Hinsicht. Alix schuldete ihnen mehr, als sie jemals würde zurückgeben können.
Sie hatte Jacqueline während eines Strickkurses im A Good Yar n kennengelernt, und nach einigen Anlaufschwierigkeiten hatte Jacqueline Alix unter ihre Fittiche genommen. Alix hatte sich für den Kurs eingetragen, um die Sozialstunden abzuarbeiten, die sie für eine angebliche Drogengeschichte aufgebrummt bekommen hatte. Sie entschloss sich dazu, eine Babydecke zu stricken und sie für wohltätige Zwecke zu spenden. Ihr Bewährungshelfer hatte das Projekt genehmigt, und das war der Beginn ihrer Freundschaft zu den Donovans gewesen.
Durch Reese Donovans Geschäftsbeziehungen und den Rotary Club hatte Alix die Chance bekommen, eine Kochschule zu besuchen. Und die Donovans boten ihr einen Teilzeitjob an – wann immer sie Hilfe benötigten, sprang Alix als ihr Hausmädchen ein. Schließlich hatten sie ihr sogar erlaubt, in ihr Gästehaus zu ziehen, in dem sie nun noch immer wohnte. Jacqueline und Reese waren für Alix zu einer Familie geworden – und hatten ihr dadurch mehr gegeben, als sie sich jemals erhofft hatte. Sie gaben ihr die Liebe, den Zuspruch und die Unterstützung, die ihre eigenen Eltern sie nie hatten spüren lassen, und Alix liebte sie dafür. Deshalb hatte sie Jaquelines
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