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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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weit ins Kirchenschiff hineingeraten war.
    Ich erhob mich und versuchte, mich zu orientieren. Es ist erstaunlich, wie große Verwüstung den Raumsinn irritieren kann. Ich kniete mich hin und schaute die Kirche hoch zum Chorgestühl, versuchte, den Sockel einer der Säulen im Nordgang zu finden, um zu sehen, wie weit ich mich im Kirchenschiff befand, aber in dem Schutt war keiner auszumachen.
    Ich mußte herausfinden, wo sich das Gewölbe befunden hatte und von dort aus beginnen. Deshalb betrachtete ich zunächst die Ostwand der Girdlerschen Kapelle und fing wieder zu graben an, auf der Suche nach dem Stützpfeiler des Gewölbes.
    Er war fünfzehn Zentimeter über dem Boden abgebrochen. Ich legte die Stelle ringsum frei, betrachtete sie genau, versuchte abzuschätzen, wo die Schranke gewesen sein mußte, und grub weiter.
    Nichts. Ich zerrte ein gezacktes Stück der hölzernen Decke hoch und sah darunter eine riesige Marmorplatte liegen, die in der Mitte zerbrochen war. Der Altar. Jetzt war ich zu weit. Ich schaute wieder zu dem neuen Rekruten hinüber, der immer noch Mr. Spivens beim Graben beobachtete, ging zehn Schritte zurück und schaufelte weiter.
    »Aber wir sind vom Hilfsfeuerwehrkorps«, hörte ich Carruthers zu dem Kirchendiener sagen.
    »Sind Sie ganz sicher?« fragte der Kirchendiener. »Ihre Schutzanzüge sehen ganz anders aus als irgendeine Uniform der Hilfsfeuerwehr, die ich jemals gesehen habe.«
    Das konnte er auch kaum. Unsere Uniformen eigneten sich vielleicht inmitten eines Luftangriffs, wo jeder, der nur etwas aus Blech auf dem Kopf trug, als Soldat durchging. Und mitten in der Nacht. Im Tageslicht sah die Sache anders aus. Carruthers’ Helm trug die Insignien der Königlichen Pioniere, auf meinen war mit Schablone Luftschutz gesprüht, und die Uniform des neuen Rekruten stammte aus einem gänzlich anderen Krieg.
    »Unsere regulären Uniformen wurden bei der Explosion einer Sprengbombe vernichtet«, sagte Carruthers.
    Der Kirchendiener sah nicht sehr überzeugt drein. »Wenn Sie vom Hilfsfeuerwehrkorps sind«, sagte er, »warum waren Sie dann letzte Nacht nicht hier, wo Sie gebraucht wurden?«
    Eine ausgezeichnete Frage, und eine, die Lady Schrapnell mir bestimmt auch bei meiner Rückkehr stellen würde. »Was meinen Sie damit – Sie sind am fünfzehnten gesprungen, Ned?« hörte ich sie bereits fragen. »Das ist ein ganzer Tag zu spät.«
    Und deshalb kroch ich auch über rauchende Dachbalken, verbrannte mir den Finger in einer immer noch flüssigen Pfütze Blei, die letzte Nacht vom Dach getropft war, und erstickte fast am Mauerstaub, anstatt ihr Bericht zu erstatten.
    Ich hob das Stück eines Stützpfostens hoch, meinen verbrannten Finger anpustend, und fing an, zwischen Schieferplatten und verkohltem Gebälk zu wühlen. Dabei schnitt ich mir den verbrannten Finger an einem abgebrochenen Metallteil auf und erhob mich schließlich, den Finger im Mund.
    Carruthers und der Kirchendiener waren sich noch nicht einig geworden. »Ich hab’ noch nie von ’nem Posten Sechsunddreißig gehört«, sagte der Kirchendiener mißtrauisch. »Die Posten des Hilfsfeuerwehrkorps in Coventry gehen nur bis Siebzehn.«
    »Wir kommen aus London«, erwiderte Carruthers. »Sondereinheit, die hier mithelfen soll.«
    »Wie sind Sie durchgekommen?« Der Kirchendiener packte angriffslustig seine Schaufel. »Alle Straßen sind blockiert.«
    Es war an der Zeit, einzugreifen. Ich ging zu den beiden hinüber. »Wir kamen über Radford«, sagte ich, leidlich sicher, daß der Kirchendiener nicht in dieser Gegend gewesen war. »Ein Milchmann nahm uns mit.«
    »Ich dachte, dort wär’n auch Barrikaden.« Der Kirchendiener umklammerte immer noch die Schaufel.
    »Wir haben Sonderpassierscheine«, sagte Carruthers.
    Fehler, Fehler! Der Kirchendiener würde sie bestimmt sehen wollen. Hastig sagte ich: »Die Königin schickte uns.«
    Das half. Der Blechhelm wurde heruntergerissen, und der Kirchendiener selbst nahm Haltung an, die Schaufel wie ein Paradestab vor sich. »Ihre Majestät?«
    Ich drückte meinen Luftschutzhelm ans Herz. »Sie sagte, sie könne Coventry nicht mehr ins Antlitz sehen, wenn sie nicht etwas täte, um zu helfen. ›Ihre schöne, schöne Kathedrale‹, sagte sie zu uns. ›Auf der Stelle müssen Sie nach Coventry gehen und ihnen jedwede Hilfe anbieten.‹«
    »So ist sie«, sagte der Kirchendiener und schüttelte ehrfurchtsvoll sein kahles Haupt. »So ist sie. ›Ihre schöne, schöne Kathedrale.‹ Ich hör’

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