Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
setzte Adrass sanft auf dem Boden ab, kniete dann vor ihm nieder und sah ihm fest in die Augen.
»Ich habe dir alles vergeben. Und wenn ich dir vergeben habe, dann hat Thenaar es auch getan. Und nun quäl dich nicht länger, wir verlassen jetzt diesen Tempel und bringen der Aufgetauchten Welt, worauf sie wartet: eine Arznei gegen die Seuche.«
Sie bemühte sich zu lächeln, entblößte dann einen Arm und zog ihren Dolch. Ein weiterer Blutzoll, der zu entrichten war.
»Tu das nicht«, murmelte Adrass entkräftet.
Adhara schluckte die Tränen hinunter und zog dann entschlossen die Klinge über ihre Haut, so wie sie es einige Tage zuvor schon einmal getan hatte, als sie das Leben des Mannes retten musste, der damals noch ihr
Feind war. Genaugenommen war dies der Wendepunkt gewesen. Sogleich trat Blut hervor, sie steckte die Waffe zurück und fing die Tropfen in der Handfläche auf. Als sie glaubte, dass es genug sei, holte sie aus und spritzte das Blut gegen das Portal. Sofort verfärbte sich das Grün zu einem heiteren Blau, und schnell fasste sie Adrass unter und hob ihn vom Boden auf. Er war immer noch bleich, und sein Atem kam immer röchelnder.
Ich muss ihn von hier fortbringen. Es liegt an der Luft an diesem Ort, dass er sich nicht erholt, versuchte sie, sich selbst zu beruhigen. Sie brauchte diesen Glauben, dass alles gut werde, wenn sie nur einmal draußen wären.
Mit dem väterlichen Freund im Arm warf sie sich gegen das Portal. Adrass schrie auf, und um ihn zu schützen, fasste sie ihn noch fester unter. Sie konnte kaum verstehen, dass ihm die Durchquerung solche Schmerzen bereitete, denn sie selbst spürte nur ein angenehmes Kribbeln auf der Haut. Nach einigen Augenblicken waren sie draußen, und vor ihnen lag der Saal, in dem sie das Portal gefunden hatten.
Wir haben es geschafft! Doch schon im nächsten Moment erstarb ihr der Freudenschrei in der Kehle. Zuerst nahm sie nur dieses rote Funkeln wahr, das sie sofort als Bedrohung erkannte. An dieses Medaillon, das Amhal um den Hals trug, erinnerte sie sich noch lebhaft. Da erkannte sie ihn, und ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Sie war zu überrascht, um handeln zu können. Wie gelähmt stand sie da und sah zu, wie Amhal seinen Beidhänder über den Kopf hob und ausholte.
Dann das entsetzliche Geräusch, als die Klinge Haut und Fleisch zerteilte, und der Geruch von Blut.
Adhara spürte, wie sich Adrass’ Leib in ihren Armen krümmte, hörte seinen Atem an ihrem Hals, ein letztes Röcheln, das vom Tod kündete.
Noch einmal hob Adrass den Blick und lächelte sie an. Ein erschöpftes, entferntes, verlorenes Lächeln.
Langsam glitt er an ihrem Körper hinunter, löste sich unaufhaltsam aus ihren Armen und sank zu Boden, wo er, mit einem riesengroßen Blutfleck auf dem Rücken, bäuchlings liegen blieb. Amhals Schwert hatte ihn glatt durchbohrt. Adrass hatte ihr das Leben gerettet, und sie hatte nichts davon gemerkt. Blitzartig hatte sich dieses Entsetzliche abgespielt, und noch immer war sie verwirrt und wie betäubt davon. Ihre Seite schmerzte heftig, aber das war jetzt unwichtig, und sie versuchte erst gar nicht, diesem Schmerz auf den Grund zu gehen.
Der Zorn überlagerte jegliche andere Regung. Sie spürte, wie unbändiger Hass in ihr aufstieg, sie wie eine Hitzewallung überkam. Amhal schwang sein Schwert, das mit dem Blut ihres Vaters besudelt war. Eine Wolke aus winzigen roten Perlen zeichnete sich in der Luft ab, und Adhara begriff, dass von dem Jüngling, den sie einst geliebt hatte, wirklich überhaupt nichts mehr übrig geblieben war.
»Nun bist du an der Reihe«, zischte Amhal völlig gefühllos. Er sah nichts anderes mehr in ihr als ein bloßes Hindernis auf seinem vorgezeichneten Weg zum Ruhm. Nichts bedeutete sie ihm mehr, gar nichts. Und diese Erkenntnis erfüllte sie mit Abscheu und Groll.
Dies gab ihr die Kraft, jeden Anflug von Erbarmen aus ihrem Herz zu verbannen. Etwas zerbrach in ihr, und aus den Scherben erhob sich die Gestalt, die sie für
andere schon immer gewesen war: Sheireen, der Inbegriff der Hoffnung. Und mit einem Mal wusste sie, was sie tun musste. Der Mann, der da zu ihren Füßen lag und dessen Geist gerade ins Reich des Vergessens hinüberglitt, würde nicht umsonst gestorben sein. Sie würde seinem letzten, größten Opfer einen Sinn verleihen.
Die Feuerkämpferin riss sich aus der Erstarrung, hob mit einer raschen Bewegung Adrass’ Schwert vom Boden auf und stellte sich, einen mächtigen Schrei
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