Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage
dreißig Tagen, ansonsten erst nach elf Monaten. Doch Finkler hört nach dreißig Tagen nicht auf. Niemand kann ihn dazu zwingen. Er weiß nicht einmal, ob er nach elf Monaten damit aufhören wird, auch wenn er versteht, was dafür spricht: Die Seelen der unbetrauerten Toten sollen endlich ins Paradies eingehen dürfen. Er glaubt allerdings nicht, dass es seine Gebete sind, die sie hindern, den Weg zu finden.
Das Schöne am Kaddisch besteht für ihn darin, dass es so unspezifisch ist. Er kann um so viele Tote gleichzeitig trauern, wie er nur möchte.
Tyler, endlich, er weiß nicht, warum. Er denkt, Libor hat es irgendwie möglich gemacht. Hat etwas freigesetzt.
Tyler, die er als Ehemann enttäuschte, Libor, den er als Freund enttäuschte.
Jisgadal wejiskadasch … So allumfassend, dass er ums ganze jüdische Volk trauern könnte.
Nicht, dass er sich auf Juden beschränkte. Selbst Treslove bekommt etwas ab, einen scheelen Trauerblick, dabei ist er lebendig und wohlauf – so wohlauf er nur sein kann – und arbeitet vermutlich wieder als Doppelgänger.
Samuel Finkler nimmt sich Hephzibah zum Vorbild, mit der er in häufigem Kontakt steht. Ihr Gefühl von Unvollständigkeit, nicht beendet zu haben, was vielleicht nie begonnen wurde, wird zu seinem Gefühl. Treslove hat er eigentlich auch nicht richtig gekannt. Und das scheint ihm gleichfalls ein Grund zur Klage zu sein.
Finklers Trauer kennt keine Grenzen.
Originaltitel: The Finkler Question
Originalverlag: Bloomsbury, London
Die Deutsche Verlags-Anstalt dankt Dr. Tamar Lewinsky
vom Institut für Jüdische Studien der Universität Basel
für die Überprüfung der hebräischen und jiddischen Begriffe.
Die kurzen Textauszüge aus Moses Ben Maimonides’ Werk
Führer der Unschlüssigen ab Kapitel 8 sind folgender Ausgabe entnommen: Hamburg, 1972, unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1923. Übersetzt und kommentiert von Adolf Weiss.
1. Auflage
Copyright © 2010 by Howard Jacobson
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe
2011 by Deutsche Verlags-Anstalt, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Alle Rechte vorbehalten
Typografie und Satz: DVA/Brigitte Müller
Gesetzt aus der Dante
eISBN 978-3-641-06532-4
www.dva.de
www.randomhouse.de
Weitere Kostenlose Bücher