Lebensstrahlen
Ein Wirtshaus am Wege, wie viele zwischen deutschen Bergen stehen. Schräg fielen die Strahlen der Abendsonne in den Gastraum und spielten über weißgescheuerte Tische. Hinter seiner Theke war der Wirt damit beschäftigt, Gläser auszuspülen, als die Tür aufging.
»Abend, Schöne!« sagte ein älterer Mann, der mit einem Einholkorb über die Schwelle schlurfte.
»Abend, Michelmann!« erwiderte der Wirt. Der Alte setzte seinen Korb ab und ließ sich auf einen Stuhl fallen.
»Reichlich warm heute!« meinte er, während der Wirt einen Schoppen Wein vor ihn hinstellte. »Will mein Rad hierlassen. Ist genug, wenn ich den Korb den Berg ‘raufschleppe.«
»Recht so, Gustav. Kannst es in den Ziegenstall stellen«, sagte der Wirt und setzte sich zu ihm. »Übrigens waren vorhin ein paar Gäste hier, die schienen es mal wieder auf euch abgesehen zu haben.«
»Wieso?« fragte Michelmann.
Schöne setzte eine überlegene Miene auf. »Stadtvolk, Automobilisten – kehren hier ein, tun so, als ob sie ihre Karte studierten, fragen mich allerlei, bringen dabei die Rede auf die Eulenburg und euren Doktor! Na, ich weiß doch Bescheid, Gustav.«
Michelmann nahm einen Schluck aus seinem Glas. »Du meinst, Otto, die wollen wieder …«
»Glaube nicht, daß ich mich geirrt habe. Die vom Gut drüben sind doch immer noch scharf auf euren Wald. Kann’s ihnen nicht mal verdenken; er springt verflucht unbequem in ihre Jagd ‘rein.«
»Könnte denen so passen!« sagte Michelmann. »Wird aber nichts draus, Otto. Ist uns gerade recht so, wie’s ist. Unser Doktor will bei seinen Arbeiten ungestört sein. Die sollen ihren Hasen sonstwo schießen.«
Schöne lachte. »Kann’s mir denken. War ein rechter Schabernack von dem alten Baron, dem Doktor Eisenlohr die Burg mit dem Bergwald zu vermachen, während die andern das Gut bekamen. Ließ sich aber nichts gegen machen, haben das Testament vergeblich angefochten. Na, da seht man zu, Gustav, daß ihr euch den neuen Besuch vom Halse schafft.«
»Was sagst du, Otto? Du meinst, die wollen unserm Doktor auf die Burg rücken?«
Schöne nickte. »Sahen mir ganz danach aus, als ob sie’s heute noch vorhätten.«
Michelmann war aufgesprungen. »Da muß ich dem Doktor ja Bescheid sagen!«
»Wäre kein Fehler, Gustav. Tu’s man gleich.«
Während der Wirt es sagte, deutete er nach der Ecke, in der das Telefon hing. Michelmann nahm den Hörer ab, hatte ein kurzes Gespräch.
»Ist heut nicht viel bei dir los, Otto«, meinte er, während er sich wieder an den Tisch setzte.
»Erntewetter, Gustav. Ist alles draußen auf den Feldern. Wollen ihr Korn trocken ‘reinkriegen.«
Michelmann nickte. Dann trank er sein Glas leer und empfahl sich. Es war bereits völlig dunkel, als er ins Freie trat.
»Hals- und Beinbruch, Gustav!« rief ihm Schöne nach.
»Danke, danke, Otto!« Michelmann schlug einen von der Landstraße abgehenden Seitenweg ein, während er den Lichtkegel einer Taschenlampe vor sich hin spielen ließ.
Der Gastwirt Schöne hatte sich eben wieder hinter seine Theke zurückgezogen, als ein neues Geräusch ihn aufhorchen ließ. Ein Kraftwagen hielt draußen.
Kommen die Brüder von vorhin schon wieder zurück? ging’s ihm durch den Kopf, als die Tür zur Gaststube geöffnet wurde.
Zwei Männer kamen herein, aber die Leute, von denen er vor kurzem dem alten Michelmann berichtet hatte, waren es nicht.
Der eine, schmächtig, brünett, mochte wohl ein Südländer sein, Italiener oder Franzose; den andern, blondhaarig und lang, schätzte der Wirt als einen Engländer oder Amerikaner ein. In einem ziemlich glatten Deutsch bestellte der Dunkelhaarige für sich und seinen Gefährten etwas zu trinken. Schöne brachte das Gewünschte und machte sich danach hinter seiner Theke zu schaffen. Er war begierig, etwas zu erlauschen, aber zu seinem Leidwesen führten die Fremden die Unterhaltung in französischer Sprache.
»Wie gedenken Sie weiter zu disponieren, Monsieur Bigot?« fragte der Blonde.
»Ich will später versuchen, Mister Hartford, ob aus dem Gastwirt etwas Brauchbares herauszuholen ist«, antwortete der mit Bigot Angeredete. Und während er nun weitersprach, spitzte Schöne die Ohren, denn es fielen Namen, die ihm wohlbekannt waren.
»Die Bekanntschaft mit dem jüngeren Assistenten Doktor Holthoff hilft uns nicht weiter«, sagte Bigot. »Der Mann ist der typische deutsche Wissenschaftler und für uns nicht zu haben. Ich habe es nicht mal riskiert, ihm Andeutungen zu
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