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Die Finsternis

Die Finsternis

Titel: Die Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Falls
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Sonnendeck nach Fife suchen sollte. Fife war sowohl Bürgermeister von Rip Tide als auch der offizielle Repräsentant der Surfgemeinschaft innerhalb des Staatenbundes und damit zuständig für die Verteilung der Rationen der Regierung an die Surfbevölkerung. Wahrscheinlich hatte er den Repräsentanten-Job nur bekommen, weil Rip Tide vor der Küste lag und somit die Townships von den Häfen des Festlandes ferngehalten werden konnten.
    Gemma und ich verließen die Landungsstelle der Seilbahn und tauchten in den schier endlosen Strom aus flatternden Kaftanen und Schleiern ein. Ich kontrollierte, ob mein Hut weit genug heruntergezogen war und mein Halstuch den Nacken bedeckte. Es war nervenaufreibend, eine Stadt voller Surfs zu betreten, die uns unterseeische Siedler nicht leiden konnten, uns vielleicht sogar hassten. Ich musste gut getarnt bleiben.
    Ein riesiges Loch klaffte in der Mitte der Plattform, durchgehend auf allen sieben Ebenen, was nicht weiter verwunderlich war, denn es hatte einst als Bohrschacht gedient. Jetzt war es auf jeder Ebene von breiten Stegen umgeben, auf denen es sehr geschäftig zuging. Rip Tide war keine hermetisch abgeriegelte Schachtelstadt. Zwischen den einzelnen Decks waren Geschäfte, Kneipen, Spielhallen und Wohnungen errichtet worden. Doch die Laufstege waren ständig der Witterung ausgesetzt, sodass jeder Zentimeter der alten Ölplattform verschlammt, verrostet, vermodert und feucht war.
    Abgesehen von einem Abstecher in eine Schachtelstadt, als ich neun Jahre alt war, war Rip Tide die größte Stadt, die ich je betreten hatte. Ich war absolut überwältigt, aber auch neugierig bei dem Anblick, der sich mir bot. Doch mir blieb keine Zeit, mich irgendwelchen Gefühlen hinzugeben. Ich musste Fife finden, und das stellte sich als keine leichte Aufgabe heraus, zumindest nicht, solange Rip Tide vor lauter lärmenden und drängelnden Boxfans fast aus allen Nähten platzte. Hunderte von Füßen stampften über die Metalldecks und Rufe und Gelächter hallten von den Wänden wider. Die erdrückende Hitze machte alles nur noch schlimmer.
    »Was hast du denn?« Gemma blieb inmitten des Menschenstroms stehen und sah mich besorgt an.
    Wie konnte sie hier reden? Bei all dem Gedränge und Geplapper konnte ich kaum atmen. Ich zog sie vom Steg weg in einen breiten Durchgang zu einer Leihstation, die stundenweise Mantaboards, Jetskis und andere kleine Wasserfahrzeuge vermietete. »Gib mir eine Minute.«
    »Oh, richtig.« Jetzt verstand sie mich. »Die vielen Menschen.«
    Ich brauchte Zeit, um mich zu akklimatisieren und hatte das dringende Bedürfnis, einmal tief durchzuatmen. Ich nahm mein Halstuch ab und wischte mir damit den Schweiß vom Gesicht. Kaltes Meerwasser hätte sich natürlich besser angefühlt.
    »Wenn wir uns erst weit genug von der Anlegestelle entfernt haben, sollte es nicht mehr so voll sein«, versicherte sie mir.
    »Okay, du gehst vor.« Ich winkte sie vorwärts und wünschte mir, ich würde am Rand des Coldsleep Canyons stehen und hätte nichts als Walgesang in den Ohren.
    »Gib mir einfach Bescheid, wenn du noch eine Pause brauchst«, sagte sie lächelnd. Dann lief sie los, drängte sich mühelos durch das Menschengewühl und zwang mich, mit ihr Schritt zu halten, wenn ich nicht riskieren wollte, sie zu verlieren. Ich heftete mich an ihre Fersen und versuchte, das Gedränge zu ignorieren, bis mein Blick an einem ziemlich tough wirkenden Mädchen hängen blieb, das sich an uns vorbeischob. Auf seinem freien Oberkörper war ein großer Halbkreis aus Narben zu sehen.
    Gemma ließ sich zurückfallen und lief neben mir weiter. »Diese Narben stammen doch von einem Biss, oder?«
    »Ganz bestimmt«, bestätigte ich. Ich wollte schneller gehen und mir die Haut des Mädchens genauer ansehen, aber ich schätzte, das würde unhöflich erscheinen. Ich hatte schon oft Bisse von Haien an Fischen, Delfinen und sogar Menschen gesehen, toten und lebendigen. Anhand der Zahnabdrücke und der Breite des Mauls konnte ich normalerweise nicht nur feststellen, welche Haiart zugebissen hatte, sondern auch die Größe des Tiers abschätzen. Doch an der Narbe des Mädchens, die ich nur kurz gesehen hatte, kam mir irgendetwas seltsam vor.
    Gemma stieß mich an. »Du hast gesagt, Haie greifen Menschen nur selten an.«
    »Aber ich habe nicht nie gesagt.«
    »Okay, aber hast du mitbekommen, dass es hier einige Leute gibt, denen irgendwelche Teile ihres Körpers fehlen? Das ist auf jeden Fall mehr als ›nur

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