Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
Vom Netzwerk:
Stuhl durch Schmiergelder erschlichen, zu unserer großen Schande. Er ist kein echter Medici. Er hat keine Ehre.«
    Wenn er bei seinem Prestige den Ruhm unserer Familie nicht wiederherstellen konnte, wie konnte sie es dann von mir erwarten? Doch sie schien überzeugt, dass es mein Schicksal sei; jeden Monat musste ich unbequeme herzogliche Gewänder anlegen und für ein neues Porträt posieren, was dann in vielen Miniaturen kopiert und den ausländischen Prinzen zugesandt wurde, die mich zu heiraten gedachten. Ich war noch zu jung für die Ehe, aber Tante Clarissa ließ keinen Zweifel daran, dass sie schon die Kathedrale und die Anzahl meiner Brautjungfern ausgewählt hatte …
    Plötzlich krampfte sich mir der Magen zusammen. Ein stechender Schmerz durchfuhr mich, und meine Umgebung verschwamm, als wären wir unter Wasser getaucht. Übelkeit machte mir den Mund sauer. Blindlings taumelte ich hoch und hörte meinen Stuhl umfallen. Eine schreckliche Dunkelheit senkte sich über mich. Ich spürte, wie mein Mund sich zu einem lautlosen Schrei öffnete, während die Dunkelheit sich wie ein riesiger Tintenfleck ausbreitete und alles um mich her verschluckte. Ich war nicht mehr in der Galerie und stritt mit meiner Tante, sondern ich befand mich an einem ungewissen Ort, machtlos gegen eine Kraft, die aus meinem Inneren aufzusteigen schien …
    Ich stehe unsicher zwischen Fremden. Sie weinen und wehkla gen. Ich sehe Tränen über ihre Gesichter laufen, auch wenn ich ihre Klagen nicht hören kann. Vor mir steht ein schwarz verhängtes Bett. Ich weiß augenblicklich, dass etwas Grauenvolles darauf liegt, etwas, das ich nicht sehen sollte. Ich versuche, zurückzubleiben, doch meine Füße tragen mich mit albtraumhafter Unvermeidlichkeit darauf zu, und wie gebannt strecke ich eine fleckige, aufgedunsene Hand aus, die ich nicht als die meine erkenne, teile den Vorhang und gewahre…
    »Dio mio, no!« , entrang sich mir ein Schrei. Ich fühlte den Arm meiner Tante um mich, das ängstliche Streicheln ihrer Hand auf meinem Scheitel. Ich hatte schreckliches Bauchweh und lag hingestreckt auf dem Boden, Stickrahmen und verworrene Garne um mich her verstreut.
    »Caterina, Kindchen«, sagte meine Tante. »Bitte, nicht wieder das Fieber …«
    Als das seltsame Gefühl, meinen Körper verlassen zu haben, langsam abflaute, richtete ich mich mühsam auf. »Ich glaube nicht, dass es das Fieber ist«, sagte ich. »Ich habe etwas gesehen: einen Mann, tot auf einem Totenbett. Er war so echt, Zia … es war entsetzlich.«
    Sie starrte mich an. Dann wisperte sie: » Una visione «, als sei es etwas, das sie lange befürchtet hatte. Sie schenkte mir ein bebendes Lächeln und half mir auf die Beine. »Komm, das ist genug für heute. Lass uns jetzt spazierengehen, si ? Morgen werden wir den Maestro besuchen. Er wird wissen, was am besten zu tun ist.«

2
    Meine Kammerjungfer weckte mich vor Tagesanbruch. Nach einem Frühstück aus Käse und Brot, das ich hastig verschlang, kleidete sie mich in ein schlichtes Gewand, band meine Locken zurück und legte mir ein Kapuzencape um die Schultern. Dann geleitete sie mich eilends in den Hof, wo Tante Clarissa und der hünenhafte Diener, der sie auf all ihren Gängen begleitete, mich erwarteten.
    Ich war froh, endlich einmal in die Stadt gehen zu dürfen, obgleich ich annahm, dass wir den Weg in einer geschlossenen Sänfte zurücklegen würden. Stattdessen schlug meine Tante ihre Kapuze hoch, nahm mich an die Hand und führte mich zum Tor hinaus auf die Via Larga, der Diener dicht auf unseren Fersen.
    »Warum gehen wir zu Fuß?«, fragte ich sie, auch wenn ich dachte, dass es viel mehr Spaß machte, die Stadt auf diese Weise zu erleben, statt nur durch die zugezogenen Vorhänge der Sänfte zu lugen.
    »Wir gehen zu Fuß, weil ich nicht will, dass man weiß, wer wir sind«, erklärte meine Tante. »Wir sind die Medici, und die Leute sind schwatzhaft. Ich will nicht, dass alle in Florenz sich das Maul darüber zerreißen, dass Madama Strozzi ihre Nichte zu einem Hellseher gebracht hat.« Ihre Hand schloss sich fester um die meine. »Verstehst du? Ruggieri mag sehr gefragt sein wegen seiner Talente, doch er ist nun mal ein konvertierter Jude.«
    Ich nickte unsicher. Ich wusste, dass meine Tante oft nach dem Maestro schickte, um Kräuterelixiere zu brauen; er hatte auch geholfen, mich von meinem Fieber zu kurieren, aber ich hatte ihn noch nie leibhaftig gesehen. Durfte er uns vielleicht nicht besuchen, weil er Jude

Weitere Kostenlose Bücher