Die Fotografin
durchs Haar.
»Wenn Dorothea v. Plato der Prozeß gemacht wird, geht es noch höher her. ›Deutschlands erfolgreichste Aktienmanagerin schießt auf Ex-BKA-Killer, um ihren früheren Geliebten zu rächen.‹ Und zum Schluß wird sich jeder fragen, ob nicht die fragliche Behörde rechtzeitig hätte verhindern können, daß einer ihrer ehemaligen Angestellten mit beim BKA entwendeten Waffen auf Rachefeldzug geht.«
»Ich verstehe nicht…«
Karen lächelte und senkte die Stimme. »Nennt man so etwas nicht Verletzung der Fürsorgepflicht?«
»… was Sie mir damit sagen wollen.« Die Kämpfer hatte ein Zögern in der Stimme. Getroffen, dachte Karen und genierte sich fast gar nicht für das wunderbar primitive Triumphgefühl, das sie empfand. Es hat gewirkt. »Wußten Sie etwa nicht, Frau Kämpfer«, fragte sie scheinheilig, »daß die aus Funk und Fernsehen bekannte Fondsmanagerin Dorothea v. Plato, eine der einflußreichsten Frauen unseres Landes, einst die Freundin von Martin Schmid war, eines Terroristen, der dank der deutschen Justiz unbehelligt in Frankreich lebte, bis ihn jemand erschoß? Und wußten Sie womöglich auch nicht, daß sein Mörder Ruben Berg heißt, ein ehemaliger BKA-Mann, der nachholen wollte, was die Behörden seiner Meinung nach versäumten? Ruben Berg, Sohn des beim Anschlag auf den Vorstandschef der Sievers-AG 1986 getöteten Chauffeurs Heiner Berg, ein junger Mann, den man angesichts dieses Hintergrunds niemals hätte einstellen dürfen?«
Angelika Kämpfer legte die Hände in den Schoß und guckte aus dem Fenster. Nach einer Weile drehte sie sich um. »Sie wollen mir doch nicht erzählen, Frau Kollegin, daß eine Frau wie Dorothea v. Plato über zwanzig Jahre später ihre Existenz für ein armes Würstchen wie Martin Schmid opfert!«
Karen fühlte, wie ihr selbstsicheres Lächeln etwas verblaßte. Das eben verstand sie auch nicht. Als sie Dorothea v. Plato danach fragte, hatte die nur mit den Schultern gezuckt und seelenruhig gesagt: »Manchmal muß man eben etwas tun.«
Dann straffte sie das Kinn. Keine Ablenkungsmanöver, liebe Frau Kollegin, dachte sie. »Warum haben Sie in der Sache Eva Rauch nicht weiterermittelt?«
Angelika Kämpfer drehte sich langsam zu Karen um. In ihrem Gesicht stand kalte Verachtung. »Sie haben keine Ahnung, Frau Stark«, sagt sie leise. »Sie leiden an Selbstüberschätzung. Sie mischen sich ein, ohne Rücksicht auf die Folgen. Sie nehmen sich viel zu wichtig.«
Das Wild wehrt sich. Man muß nachsetzen, dachte Karen. »Das BKA hat einen Mörder gedeckt, verehrte Frau Kollegin. Und Sie haben sich als Handlangerin einer mißglückten Vertuschungsaktion hergegeben. Die Medien werden Sie monatelang durch den Wolf drehen. Wer weiß, was dabei noch alles hochgespült wird.«
Angelika Kämpfer sah sie an und schüttelte langsam den Kopf. Die Haare mit der sanften Außenwelle schwangen mit. »Sie begreifen gar nichts, stimmt’s? Ihr löblicher, wenn auch etwas idealistischer Hang zur Wahrheit wird ein Menschenleben ruinieren – das von Dorothea v. Plato. Alles andere, was Sie sich erhoffen…« Die Kämpfer ließ ihre Hände aufflattern wie eine Horde aufgescheuchter Tauben.
»Und Sie glauben, damit kämen Sie durch?«
Karen hörte sich zu. Plötzlich klang ihre Stimme unsicher.
»Ich glaube, Sie kapieren einfach nicht, worum es hier geht. Ihr subjektives Rechtsbewußtsein in allen Ehren…«
Karen schnaubte ungläubig.
»… aber Sie haben kein Gefühl für übergeordnete Interessen.«
»Ach – und die wären?«
Angelika Kämpfers Gesicht war blaß geworden. »Natürlich hat das BKA mit Terroristen kooperiert, das wissen Sie so gut wie ich. Nur so waren Informationen zu erzielen, die geeignet waren, andere Straftaten zu verhindern. Nur ein Ideologe oder ein Verblendeter begreift das nicht.«
»Wie Ruben Berg.«
»Richtig!« Die Kämpfer versuchte, ruhig zu bleiben.
»Und warum wurde der Mann nicht aus dem Verkehr gezogen?«
»Wie denn? Es wußte niemand, was er vorhatte.«
»Und als die erste Waffe auftauchte…«
»… wußte man nur eines ganz sicher: daß die Behörde eine sehr schlechte Presse bekommen würde. Es ging um nichts anderes als um Schadensbegrenzung. Oder hätte man Ihrer Meinung nach eine Pressekonferenz veranstalten und sagen sollen: Uns sind leider acht Waffen abhanden gekommen, eine davon ist neben einer Toten aufgetaucht, die Sache tut uns furchtbar leid, aber wir können sie uns überhaupt nicht erklären?«
Die Kämpfer
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