Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich
einem Stadtteil von Antwerpen, ebenfalls in Putte. Firmin kam als fünftes von neun Kindern zur Welt.
Firmin mit Mutter und Großmutter.
Maria, etwa 1909.
Marias Eltern waren Maria Sylvana und Andre Krusvik-Muskens gewesen. Maria wurde geboren am 28. Januar 1889. Sie hatte eine etwas jüngere Schwester, Antoinetta Carolina, geboren am 14. Oktober 1890. Nach den Aufzeichnungen des Stadtarchivs ist Marias Mutter zu Beginn der 1930er-Jahre bereits Witwe.
Am 15. Juni 1912, an einem Samstag, heirateten Adrianas Eltern. Ein Anstandsjahr später, im Juni 1913, kam ihre Tochter zur Welt. Da war die Mutter 24 und der Vater 25 Jahre alt. Wir können annehmen,dass die Hochzeit in Antwerpen gefeiert wurde und die gesamte Verwandtschaft eingeladen war. Die Eltern der Schwestern werden bei der Feier zugegen gewesen sein, auch die von Firmin und vielleicht Geschwister von Firmin. Eine Schwester von ihm wird in einem der Briefe einmal erwähnt. Antoinetta oder Annetje, Netje gerufen, die jüngere Schwester von Maria, war zu diesem Zeitpunkt noch ledig, bis sie ein Jahr später einen Seemann ehelichte – auf die Dauer ein unglückliches Los, wie sie später ihre Nichte zu warnen versuchte: Mit einem Seemann hätte man nichts vom Leben.
Firmin und Maria, etwa 1910.
Firmin war nicht groß, soviel verraten die Fotografien, eher zierlich. In jungen Jahren trug er einen schicken Schnurrbart und bemühte sich mit Haltung um zusätzliche Körpergröße. Auf späteren Bildern wirkt er oft schelmisch, vielleicht war er jemand, der in Gesellschaft aufblühte, Esprit versprühte. Etliche Fotos zeigen ihn im Kreis von Menschen, die zusammen Backgammon oder Billard spielen, er bekam Preise überreicht oder überreichte selbst welche. Firmin stand dabei im Mittelpunkt.
Seine Bindung zu Adriana war nicht so eng wie die zwischenMutter und Tochter. Der Ton zwischen diesen beiden war zärtlicher. Immer wieder scheint das durch, etwa wenn Adriana auf einer Fotografie von sich in den 1950ern auf der Rückseite einen Gruß notierte: »Für meine Mamatje, die soviel an mich denkt.«
Belgien – ein kompliziertes Land
Werfen wir einen Blick auf Belgien: Für viele Deutsche ist Belgien lediglich das Nachbarland im Nordwesten. Doch darüber hinaus? Napoleon und sein »Waterloo«, Brüssel und die EU, Pralinen und Spitze und beleuchtete Autobahnen in der Nacht kommen in den Sinn. Beim Kulturbürger weckt vielleicht noch der Name Brabant Assoziationen – »doch will der Held nicht Herzog sein genannt, ihr sollt ihn heißen ›Schützer von Brabant‹«. Mancher sagt, Belgien sei das nördlichste Land Südeuropas, und der ostbelgische Historiker Herbert Ruland nennt es »angenehm schminkefrei«.
Die Belgier sind nicht laut in Europa, sie drängen sich nicht auf, auch nicht in der EU, obwohl sie das Europäische Parlament beherbergen. Und sie haben eine erstaunliche Fähigkeit, monatelang ein Land ohne Regierung zu führen. Sie gehen nicht hausieren mit dem, was die Deutschen ihrem Land angetan haben in den beiden Weltkriegen, obwohl sie allen Grund dazu hätten. Wer in Deutschland weiß, dass Antwerpen noch im letzten Kriegsjahr monatelang von V1-Bomben und V2-Raketen zusammengeschossen wurde?
Dabei verbinden Deutsche und Belgier seit Langem intensive kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen. Flandern war im Mittelalter bedeutendes Export- und Transitland für Waren aller Art und stand in regem Austausch mit deutschen Städten, über die Hanse hinauf bis in den Norden. Brügge, Gent, Antwerpen zählten damals zu den reichsten Gemeinwesen in Europa, bis heute steht ihr Name für Glanz, Malerfürsten und wirtschaftliche Blüte. Im 15. Jahrhundert beherrschten zwei Börsen- und Messeplätze die Mitte Europas: Antwerpen und Frankfurt am Main. Man handelte zwischen Venedig, Antwerpen und Brügge, Lübeck, Köln und Frankfurt bargeldlos, mit Wechseln, die immer häufiger zum Frankfurter Messetermin fällig wurden. Diamantenhändler und -makler aus Antwerpen nutzten die Börse in Frankfurt und trugen nicht unerheblich zum Aufstieg der Stadt am Main zum Finanzzentrum Europas bei.
Dann kam der Niedergang. Den europäischen Großmächten, allen voran den Habsburgern, dienten die belgischen Landschaften als politisches Schacherobjekt, als Durchzugsgebiet und Truppenübungsplatz, das Land wurde ausgeplündert und verwüstet, seiner kulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung beraubt. Während der Glaubenskriege flüchteten Tausende Belgier in
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