Rettet unsere Soehne
1 „Sitz auf einem Pulverfass“ – Das neue Verhältnis der Geschlechter
ie so viele andere Männer war ich lange Zeit Feminist. In meinem Fall bis zum Beginn meines vierten Lebensjahrzehnts. Wie hätte es anders sein können? Ich war der 24-Stunden-Rundumbeschallung unserer Medien über die Frau ausgesetzt, jenem armen, benachteiligten und geknechteten Wesen. Und da es offenbar zur männlichen Natur gehört, Frauen in Nöten ritterlich zur Seite zu springen, sie zu schützen und zu unterstützen, findet sich in meinen frühen Veröffentlichungen ein erkennbar feministischer Unterton. Schließlich war die Frauenbewegung von ihrem Grundgedanken her notwendig, um beiden Geschlechtern die gleichen Rechte und Chancen zu gewähren.
Manchmal hätte man die Ohren aufstellen, zumindest irritiert schauen sollen – nachfragen wäre mit Sicherheit noch besser gewesen, wenn während meines Studiums einerseits die Lehre von den „bösen“ (aggressiven und machtgierigen) Männern und den „guten“ (sanftmütigen und liebevollen) Frauen gepredigt wurde. Andererseits wurde aber auch darauf beharrt, dass es gar keine Natur der Geschlechter gäbe, sondern Männer und Frauen weitgehend austauschbar seien. Mal wurde das eine Argument hervorgeholt, mal das andere – je nachdem, wie es gerade passte. Noch unvorstellbarer war für uns voll auf Linie getrimmten Studenten der Gedanke, dass in unserer Gesellschaft auch Männer benachteiligt sein könnten, jene Spezies, die angeblich von morgens bis abends ihre Frauen unterdrückte.
Nur hin und wieder wunderte ich mich schon. So hatte ich mich als Zivildienstleistender in einer ambulanten kirchlichen Pflegestation um Alte, Kranke und Sterbende gekümmert, während gleichaltrige Mädchen auf Partys gingen und viel eher mit ihrer Karriere durchstarten konnten. Dieser Vorsprung war nicht leicht aufzuholen. Und etwas absonderlich fand ich auch, dass sich meine Universität eine Frauenbibliothek leistete, die wir männlichen Studenten zwar mitfinanzieren, aber nicht betreten durften. Auch diese Form von Apartheid wurde niemals wirklich hinterfragt. Aber das waren Kleinigkeiten.
Dennoch: So gründlich wie ich mich damals mit dem Geschlechterthema auseinandersetzte, so interessant erschienen für mich die Räume dieser Frauenbibliothek, sollte es in ihnen doch einen umfangreichen Bestand an Literatur zum Thema Frauenforschung geben. Einmal trat ich dort freundlich ein, um anzufragen, ob man diese nicht auch als Mann aufsuchen, eine für beide Seiten praktikable Lösung finden könne. Doch ich stand schneller wieder auf dem Flur, als ich es begreifen konnte: „Männer? Hier? Was sollen die Nachbarn denken?“ – das war in etwa die empörte Reaktion der Betreiberinnen dieser Bibliothek. Sie hatten mir schnell und deutlich klargemacht, dass ihre Sammlung nur Angehörigen des weiblichen Geschlechts offen stand. Mein zaghafter Einwand, dass eine Universität eine Einrichtung öffentlichen Rechts sei und laut Grundgesetz Mann und Frau gleichberechtigt seien, fiel nicht auf fruchtbaren Boden. Also wurde ich beim Studentenausschuss vorstellig, wo man mich als „Spinner“ bezeichnete und mir mitteilte, wenn ich in die Frauenbibliothek wolle, müsse ich eben eine Geschlechtsumwandlung vornehmen lassen. Ich schrieb einen Brief an den Leiter der Universität, schließlich einen weiteren ans Kultusministerium. Nichts zu machen. Das Patriarchat mauerte.
„Natürlich hast du das Recht, in die Frauenbibliothek eingelassen zu werden“, erklärte mir schließlich ein befreundeter Anwalt. „Liest du kein Grundgesetz? Männer dürfen genauso wenig diskriminiert werden wie Frauen.“ Er versprach mir, sich darum zu kümmern. Als er sich wieder meldete, hatte er schlechte Nachrichten für mich: „Es gibt eine Benutzerordnung für diese Bibliothek, die als Verwaltungsakt nach Ablauf eines Jahres bestandskräftig geworden ist. Jetzt ist die Mainzer Frauenbibliothek zwar rechtswidrig, kann aber vor Gericht nicht mehr angegriffen werden.“ Ich war, gelinde gesagt, verblüfft: „Du meinst, es ist gegen das Grundgesetz, aber man kann nichts dagegen tun? Das soll doch wohl ein Scherz sein.“ Er zuckte mit den Schultern. „Prinzipiell wäre es die Aufgabe des Uni-Präsidenten, hier einzuschreiten, und wenn der seiner Pflicht nicht nachkommt, des Kultusministeriums. Den Herren ist die Sache aber offensichtlich politisch zu brisant. Leider ist es in unserem Land geradezu klassisch, dass politisch
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