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Die Frau im Kühlschrank

Die Frau im Kühlschrank

Titel: Die Frau im Kühlschrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Bebauung war altmodisch, pietistisch, schön und pittoresk wie in so vielen kleinen norwegischen Städten von Hammerfest bis Fredrikstad. Jetzt befand sich an jeder Straßenecke ein Restaurant; in jedem zweiten Hafenspeicher war das Interieur zugunsten von Discotheken, Restaurants und Boutiquen ausgewechselt worden, modernistische Bauten mit Los-Angeles-Fassaden schossen zwischen den verschreckten Holzbauten in die Höhe; auf den Gehsteigen hörte man fremde Mundarten ebenso häufig wie den Stavangerdialekt. Es herrschte eine babylonische Sprachverwirrung, und Bergen war im Vergleich dazu ein Provinznest.
    Auch mein Hotel war, wie sich herausstellte, ein solch moderner Betonklotz.
    Im Erdgeschoß befanden sich – außer der Rezeption – ein exklusives, kleines Speiserestaurant, ein Tanzlokal und eine Bar mit einem Interieur wie in einem französischen Nickelvertrieb. In der Rezeption stand eine liebenswürdige Dame in einer adretten, rostroten Jacke und einem schwarzen Rock. Sie hatte müde Furchen im Gesicht und Säcke unter den Augen, und sie sprach mich auf englisch an, ehe ich sie davon überzeugen konnte, daß ich tatsächlich Norwegisch sprach. Dann fand sie meinen Namen auf der Liste der Reservierungen, kreuzte eine Zimmernummer an und gab mir den Schlüssel. »Im Dritten«, sagte sie mit dem schnarrenden Rachen-R, das für diese Gegend so typisch ist. »Der Fahrstuhl ist da drüben.«
    Ich bedankte mich und nahm den Fahrstuhl nach oben. Gegenüber der Tür zu meinem Zimmer prangte ein gigantischer Snack-Automat. Er funkelte wie ein Spielautomat aus Las Vegas. Hinter schwarz getöntem Fensterglas lagen verführerische, in Plastik verpackte belegte Brötchen und lockten mit all ihren Kalorien. Ich widerstand der Versuchung und schloß mein Zimmer auf.
    Es war ein modernes, funktionales Hotelzimmer, lang und schmal, mit Dusche und Toilette links und einem Kleiderschrank rechts. Ich durchquerte den Raum und zog die Gardinen zur Seite. Ich sah direkt auf eine alte, verwitterte Fassadenmauer mit einem halbverwischten Reklameschild darauf. Herrenkonfektion aus den frühen fünfziger Jahren. Ich begriff, warum die Gardinen vorgezogen waren.
    Ich öffnete den Koffer, hängte ein paar Kleidungsstücke in den Schrank und verließ das Zimmer wieder, fast so wie es gewesen war. An der Rezeption kaufte ich einen Stadtplan. Mit Hilfe des Straßenverzeichnisses fand ich heraus, wo Arne Samuelsen seine Wohnung hatte. Ich faltete die Karte zusammen und steckte sie in die innere Manteltasche. Beim Verlassen des Hotels warf ich einen Blick in die Bar. Der Barkeeper saß hinter der Theke mit dem Gesichtsausdruck einer Wachspuppe. Links von der Theke standen zwei Jugendliche und warfen Pfeile auf eine Zielscheibe. Einige der Pfeile trafen nicht einmal die Wand. Das Geräusch der leichten Pfeile, die auf den Boden fielen, folgte mir durch die Tür hinaus.

5
    Das schmale Holzhaus lag in einer recht steilen Seitenstraße zum Banavigå hinunter. Im Osten erhob sich Bybrua. Die Brückenpfeiler glichen einer Reihe von A’s, als sei die ganze Brücke ein gigantisches Wahlversprechen der Arbeiterpartei. Über die Häuser auf der anderen Straßenseite schaut man hinunter auf die Bebauung entlang der Bucht, wo die Möwen gegen den grauweißen Himmel aufstiegen und wieder herabschwebten. Es roch nach Salz, und die weiße Hausfassade war von Feuchtigkeit graugrün gemustert. Das Haus mußte dem Wetter stark ausgesetzt sein, wenn der Nordwind wehte.
    Die grüne Tür war schief, und sie hing schwer in den Angeln, als ich sie öffnete und in den dunklen Hausflur trat. Ich suchte nach einem Lichtschalter. Ich fand einen und drückte darauf, ohne daß etwas passierte.
    Die Briefkästen links waren vom altmodischen Typ mit Luftlöchern unten, so daß man sehen konnte, ob etwas darin war, ohne das Türchen zu öffnen. Auf einem der Briefkästen stand der Name Arne Samuelsen. Auf einem anderen T. Eliassen.
    T. Eliassen wohnte im Erdgeschoß, hinter einer Tür rechts neben der schmalen Treppe, die nach oben führte. Hinter einem schmalen Türfenster war Licht. Ich ging darauf zu und klingelte. Die Tür wurde augenblicklich geöffnet, als hätte die Frau in der Wohnung dahinter gestanden und gewartet. »Ja?« sagte sie, ehe ich den Mund aufmachen konnte. »Was wünschen Sie?«
    Sie war ziemlich klein, Ende Fünfzig und trug ein großgeblümtes Schürzenkleid. Sie war recht zierlich gebaut, und die großen Blumen konnten nicht darüber

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