Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)
ist schon ewig her. Miriam fragt
sich: Was macht so einer in einem Ort wie Dirnitz und im dritten Jahrtausend?
Boris indessen sitzt vor ihr
wie eine Figur aus Madame Tussaud´s Wachsfigurenkabinett. Nur dass er sich
inzwischen eine Zigarette zu drehen begonnen hat. Miriam wackelt mahnend mit
dem Finger. Er blickt sie fragend an. Mit schiefem Mund steckt er dann den
Maverick-Beutel wieder ein. Batik-T-Shirt, enge Jeans, spitze Lederstiefel. All
das sieht aus, wie aus der Mottenkiste gestohlen.
„Was wünscht du von mir?“,
fragt sie endlich.
Boris ringt sichtbar nach den
richtigen Worten. Es scheint ihm peinlich, und er nestelt an seinen Hosen- und
Hemdtaschen herum, als wolle er aus ihnen eine unsichtbare Zigarette ziehen,
die er sich unbemerkt anstecken könnte.
„Na rauch schon eine!“, sagt
Miriam, denn dieser nervöse Riese mit seiner fahrigen Art tut ihr irgendwie
leid.
Und während Boris nun seine
Zigarette fertig dreht, und er dabei, wie ihr nicht entgeht, auch ein paar
Krümel von etwas Anderem dazu mischt, beginnt er zu reden:
„Hast du gewusst, dass ich
früher Psilocybin genommen habe?“
Er zittert mit den Fingern, als
er sich die Zigarette endlich ansteckt. Sofort riecht es im Zigeunerwagen
irgendwie sakral. Miriam nimmt den Joint, macht einen tiefen Zug, gibt ihn
zurück.
„Stand es in den Zeitungen?“,
antwortet sie mit schnippischem Grinsen.
Doch muss sie jetzt noch einmal
an die Hippie-Vergangenheit ihrer Eltern denken und deren Bekanntschaft mit dem
Ehepaar Wasson, die sich der Erforschung des magic mushrooms und anderer
Schamanendrogen gewidmet hatten. Miriam schnappt sich Lila und die beiden
Katzen und steckt sie in das vordere Abteil des Zigeunerwagens.
„Ich will nicht, dass sie das
einatmen“, sagt sie. „Psilocybin hast du genommen, aha“, sagt sie dann, um das
Gespräch fortzusetzen.
Boris nickt.
„Und?“, fragt sie weiter, „war
dir die Pilzgöttin wohl gesonnen?“
Er zuckt mit den Schultern.
„Bist du deshalb zu mir
gekommen?“
Boris snifft sehr geräuschvoll
durch die Nase:
„Vielleicht!“
Auf seinem Oberarm sieht Miriam
ein kleines Tattoo: Ein stilisiertes Cannabisblatt!
„Und mir überantwortest du
jetzt die Aufgabe, dir alles einzeln aus der Nase zu ziehen, was du von mir
wolltest?“, sagt sie dann.
„Ich dachte“, sagt Boris
zwischen zwei Hustenattacken, „dass Hexen sich mit dem Zeug auskennen.“
„Manche Hexen“, wirft Miriam
ein. „Es muss kein Hauptgeschäft für eine Hexe sein, sich mit Naturdrogen zu
beschäftigen.“
„Na, jedenfalls siehst du mir
aus wie eine, die es mit den Kräutern kann.“
Miriam lacht. Sie nimmt ihm den
Rest des glühendheißen Joints aus den Fingern und zieht noch einmal daran.
„Da ist übrigens nicht nur
Marihuana drinnen, sondern auch Damiana und ein paar andere Kräuter“, sagt sie
ruhig.
Der lange Boris streckt den
Kopf nach vorn und schaut sie an. Ja doch, ein wenig von irgend einer
Damiana-Mischung sei da mit drin, meint er, ungläubig lächelnd und dabei den
Kopf schüttelnd.
„Ich komme aus Wien“, sagt er
dann, „lebe aber schon seit vielen Jahren als selbstständiger Programmierer in
diesem Nest. Ich hab mal ein sehr wichtiges Programm geschrieben, weißt du, und
eigentlich lebe ich noch heute davon.“
„Und warum gerade hier?“
„Weil ich mich hier in Ruhe
meinen Studien widmen kann. Der Erforschung natürlicher Rauschdrogen. Ich bin
so etwas wie ein Psychonaut!“
„Na dann“, sagt die Hagazussa,
„wirst du ja höchstwahrscheinlich mehr davon verstehen als ich.“
„Weißt du“, sagt Boris, „es
gibt Kräuter, die soll man einfach nicht alleine nehmen, und auch nicht in der
Gegenwart von irgendjemand X-Beliebigen. Du kennst doch sicher Salvia D.“
„Salvia Divinorum meinst du.
Eine ganz besondere Salbeiart aus Mexiko. Das Wahrsagekraut!“
„Ja, genau!“, bestätigt Boris.
„Ich habe bereits einige Versuche mit Salvia D. hinter mir. Die ersten zwei
oder drei Mal spürte ich gar nichts, bis ich lernte, wie man Salvia richtig
raucht. Dann aber war die Wirkung phänomenal. Es ist nur so, dass Salvia D.
unberechenbar ist. Ich hatte dann ein paar Visionen, die immer wieder kamen.
Und ich möchte gerne wissen, was sie bedeuten.“
„Was waren das für Visionen?“,
fragt die Hagazussa.
„Zwei Kinder! Ich sehe immer
nur ihre Köpfe, und immer nur von hinten. Es dürften zwei Mädchen sein. Zuerst
dachte ich mir, was soll´s. Aber die Vision ist hartnäckig und
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