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Die Frucht des Bösen

Die Frucht des Bösen

Titel: Die Frucht des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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fein säuberlich auf?»
    «Vielleicht als Geste der Entschuldigung.»
    «Wie bitte?»
    «Wenn wir davon ausgehen, dass es tatsächlich der Vater war, hat er seine ganze Familie ausgelöscht», meinte Alex. «Mag sein, dass alles mit einem Streit anfing, der dann ausgeartet ist. Oder er hat die Tat von vornherein geplant. Wie dem auch sei, fragen wir uns, warum jemand seine ganze Familie tötet, ob im Affekt oder vorsätzlich.»
    D. D. schaute ihm ins Gesicht. «Erklären Sie’s mir.»
    «Weil er glaubt, seiner Familie einen Gefallen zu tun.»
    «Ein weiterer Grund für mich, Single zu bleiben.»
    Alex schmunzelte. «Anscheinend ging es der Familie wirtschaftlich nicht gut. Ich schätze, weitere Recherchen werden ergeben, dass es ihr richtig dreckig ging. Vielleicht musste sie sogar eine Zwangsräumung befürchten. Der Druck nimmt stetig zu. Der Vater denkt, es wäre besser, tot zu sein, doch seinen Selbstmord will er der Familie nicht zumuten. Dann verfällt er auf den Gedanken, dass es für alle Beteiligten weniger grausam wäre, wenn keiner überlebt.»
    «Scheiße», murmelte D. D. und wedelte mit der Hand, um die Fliegen zu verscheuchen.
    «Er sticht Frau und Kinder ab, schleppt sie her und legt sie nebeneinander. Vielleicht spricht er noch ein Gebet oder trägt irgendeine kleine Abschiedsrede vor, die er sich ausgedacht hat.
Ich liebe euch, will nur euer Bestes. Wir sehen uns im Jenseits wieder.
Dann nimmt er seine . 22 er und hält sie an die Stirn.»
    «Er hat sich erschossen?», fragte Phil. «Waschlappen.»
    «Kann man so sagen, zumal er’s nicht richtig angestellt hat.»
    D. D. stutzte. «Soll das heißen –»
    «Ja. Er liegt im Mass General und wird gerade operiert. Kann sein, dass er durchkommt.»
    «Der Vater lebt noch», murmelte D. D. und starrte auf den blutverschmierten Futon. Plötzlich ging ein Lächeln über ihr Gesicht – kein schönes Lächeln. «Das kann ja noch heiter werden.»
     
    Sie kehrten in den vorderen Teil des Hauses zurück und passierten gerade das Esszimmer, als ihr plötzlich ein Gedanke kam. Sie blieb stehen. Phil und sein Schatten gingen weiter.
    «Hey, Professor», sagte sie. «Ich hätte da eine Frage an Sie.»
    Alex hob eine Braue in die Stirn und wartete.
    «Ich fasse zusammen: Der Vater tötet die Mutter, den vierzehnjährigen Jungen, den neunjährigen, dann die zwölfjährige Tochter und schießt sich schließlich selbst eine Kugel in den Kopf.»
    «Danach sieht’s aus, ja.»
    «Aufgrund der Spurenbefunde.»
    «Aufgrund der vorläufigen Ergebnisse unserer Untersuchungen, ja.»
    «Eine wirklich beeindruckende Analyse», sagte sie. «Ich kann mir vorstellen, dass Sie als Dozent eine richtige Kanone sind.»
    Alex schwieg und bestätigte damit, dass er so smart war, wie er aussah.
    «Aber ein wichtiges Indiz ist damit noch nicht erklärt.»
    «Nämlich?»
    «Das Esszimmer.»
    Alex und Phil wandten sich der Esszimmertür zu.
    Es war Phil, der fragte: «Was meinst du?»
    Alex schaltete schneller. «Mist», grummelte er.
    «Ja, es ist immer ein bisschen komplizierter als angenommen», pflichtete ihm D. D. bei. Und mit Blick auf Phil: «Wir haben fünf Opfer, stimmt’s? Vier sind tot, eines ist in kritischem Zustand. Fünf Familienmitglieder.»
    Phil nickte.
    D. D. zuckte mit den Achseln. «Und warum ist dann der Tisch für sechs gedeckt?»

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    4 . Kapitel
    Danielle
     
    Wollen Sie wissen, was es heißt, Krankenschwester in der Kinderpsychiatrie zu sein? Willkommen in der Pediatric Evaluation Clinic von Boston, kurz: PECB . Unsere Station befindet sich im Obergeschoss des Kirkland Medical Centers. Wir bilden uns ein, einen der schönsten Ausblicke auf Boston zu haben, was uns gewissermaßen auch zusteht, denn wir haben es schließlich auch mit den schwierigsten Bürgern zu tun.
    Donnerstagabend saß ich im Flur unserer Station und passte auf unsere neueste Patientin auf. Sie hieß Lucy und war am Nachmittag eingeliefert worden. Wir hatten nur vierundzwanzig Stunden Zeit gehabt, um uns auf ihre Ankunft vorzubereiten, eigentlich viel zu wenig, aber wir taten unser Bestes. Die meisten unserer Kinder teilten sich ein Zimmer; Lucy hatte ihr eigenes. Die meisten unserer Zimmer waren mit zwei Betten, zwei Bettkonsolen und dazu passenden Schränken ausgestattet. Lucy hatte nur eine Matratze und eine Decke, mehr nicht.
    Wir hatten schon erfahren müssen, dass die bruchsicheren Scheiben unserer Fenster im achten Stock einem wild gewordenen Kind nicht

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