Die Frucht des Bösen
Mann die Hand, zeigte sich aber unverhohlen skeptisch. «Und Ihr Dienstgrad ist …»
«Detective. Habe mich allerdings vor ungefähr acht Jahren aus dem aktiven Dienst zurückgezogen, um an der Akademie zu unterrichten. Weil ich aber nicht einrosten will, habe ich darum gebeten, einen Kollegen für einen Monat oder so bei der Arbeit begleiten zu dürfen. Acht Jahre sind eine lange Zeit, wissen Sie, und in Anbetracht all der Entwicklungen in der Kriminaltechnik komme ich mir allmählich wie ein Dinosaurier vor.»
«Haben Sie damals für die Bostoner Polizei gearbeitet?»
«Nein. Meine Dienststelle war in Amherst. Warum fragen Sie?»
«Nur so.» D. D. setzte die Musterung ihres Gegenübers fort. Sie schätzte ihn auf Anfang vierzig, und weil er demnach nur unwesentlich älter war als sie selbst, hatte sein Dinosaurier-Vergleich für sie einen ganz eigenen Dreh. Er war nicht besonders groß, vielleicht eins achtzig, und recht gut in Form, wie es schien. Die kurzen dunklen Haare hatten schon einen unübersehbaren Silberanteil, und die Winkel der blauen Augen kräuselten sich, wenn er die Brauen zusammenkniff. Ein George Clooney. Nicht übel.
Alex Wilson kam also aus Amherst. Sie würde Erkundigungen einholen müssen.
«Na schön, Herr Professor. Worauf können Sie uns sonst noch aufmerksam machen?»
«Ich glaube, die Frau war das erste Opfer.» Alex führte sie durch den Flur und gab acht darauf, keine Spuren zu verwischen. «Vielleicht hat es Streit gegeben, während sie am Tisch saßen. Keine Ahnung. Jedenfalls folgte er ihr ins Schlafzimmer und stieß von hinten mit dem Messer zu, so fest, dass ihr das Genick brach. Falls sie nicht gleich tot war, konnte sie nicht einmal mehr schreien. Sie ging in die Knie und starb, noch bevor sie verbluten konnte.»
Alex führte sie durch eine Tür auf der rechten Seite in ein sehr großes Schlafzimmer, ausgestattet mit einem Doppelbett und zwei unterschiedlichen Kommoden, die nach Flohmarkt aussahen. Auf dem Bett lag eine alte geblümte Steppdecke. Pinkfarbene Laken dienten als Vorhänge vor den Fenstern.
Auf der größeren Kommode standen mehrere gerahmte Fotos, unter anderem eins von der Hochzeit: eine lächelnde Braut mit sandfarbenen Haaren und ihr dunkelhaariger Bräutigam im Format von zwanzig mal fünfundzwanzig Zentimetern. Auf dem Boden vor der Kommode eine große, dunkle Pfütze, die sich auf mindestens ein Dutzend Dielenbretter ausgebreitet hatte. Vermutlich das Blut der Braut von damals.
«Wo ist die Leiche?»
«Dazu kommen wir noch», antwortete Alex. Er führte sie zurück in den Flur, stieg vorsichtig über die Blutspritzer hinweg und betrat ein zweites Schlafzimmer, das um einiges kleiner und in einem kräftigen Blauton gehalten war. An einer Wand hingen wild durcheinander Poster von Tom Brady; die auf der gegenüberliegenden Seite war von Regalen zugestellt, die handsignierte Fußbälle und diverse Sporttrophäen enthielten.
Rechts lag eine breite Matratze am Boden, darauf eine Tagesdecke aus dem Fanshop der Patriots. Gleich daneben stand ein Kartentisch, der anscheinend als Schreibtisch diente. Der Metallstuhl davor war weggerückt. Auf dem Boden neben dem Stuhl zeichnete sich ebenfalls ein großer dunkler Fleck ab.
«Der älteste Sohn», erklärte Alex. «Vermutlich hat er Krach im Zimmer der Eltern gehört und ist aufgestanden, um nachzusehen. Der Junge war recht groß für sein Alter, und den Pokalen im Regal nach zu urteilen offenbar ziemlich sportlich. Nach der Mutter die nächste potenzielle Gefahr. Der Täter muss schnell und entschlossen gehandelt haben. Dem Jungen blieb wahrscheinlich keine Zeit zur Gegenwehr. Das Messer ging durch die Rippen genau ins Herz.»
«Ein einziger Stich?», fragte D. D.
«Im Fall von Mutter und Sohn, ja.»
«Bei ihr in den Nacken, beim Sohn durch die Brust», resümierte D. D. «Der Kerl scheint Übung gehabt zu haben.»
«Das glaube ich auch und tippe darauf, dass er in irgendeiner Spezialeinheit der Armee ausgebildet wurde. Er hatte es echt drauf.»
«Also gut», sagte D. D. «Die Mom ist tot, der ältere Sohn ebenfalls. Und dann?»
«Blieben noch zwei übrig. Ein zwölfjähriges Mädchen und ein Junge von neun Jahren. Beide fand er offenbar in ihren Zimmern.»
Alex verließ den blauen Raum und folgte der Blutspur im Flur in ein hellrosa gestrichenes Zimmer mit violetten Volants vorm Fenster und etlichen Postern von Hannah Montana und den Jonas Brothers an den Wänden.
«Hier scheint es wüster
Weitere Kostenlose Bücher