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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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hatte Betty sich das gefragt. Robin war von dem Moment an besessen gewesen, in dem er die Kirchenruine, die von einem unregelmäßigen Kreis alter Eiben umstanden war, die gewaltige Burfa-Hügelfestung im Hintergrund und die rätselhaften Vier Steine nur wenige Kilometer weiter gesehen hatte. Und als er von den jüngsten archäologischen Entdeckungen gehört hatte, die auf eine zu rituellen Zwecken genutzte Palisade hinwiesen, die für die zweitgrößte ihrer Art in ganz Europa gehalten wurde, hatte es ihn vollkommen umgehauen. Von diesem Moment an
musste
er hier leben.
    «Na bitte.» Er beugte sich zur Stufe des Hintereingangs hinunter.
    «Was habe ich dir gesagt?» Er hob etwas Weißliches hoch.
    «Was ist das?»
    «Eine Plastiktüte – sieht nach Tesco aus. Der Typ am Fluss hatte doch eine dabei, ich nehme mal an, das ist sie.»
    «Er hat sie uns vor die Tür gestellt?»
    «Vielleicht ein Willkommensgeschenk? Sie ist ziemlich schwer.»
    «Stell sie wieder hin», sagte Betty ruhig.
    «Was?»
    «Ich mein’s ernst. Stell die Tüte wieder hin, geh rein und mach das Licht an.»
    «Himmel!» Robin warf seinen Kopf zurück. «Ich verstehe dich nicht! Eben hast du noch gesagt, dass ich übertreibe – was ich zugegebenermaßen manchmal tue   –, und dieser harmlose Alte ist nur auf dem Weg nach Hause zu seinem gemütlichen Kaminfeuer   … und im nächsten Moment lädt er zehn Pfund Sprengstoff vor unserer Tür ab oder was   –»
    «Stell das Ding einfach wieder ab, Robin.»
    Verärgert ließ Robin die Tüte fallen. Sie landete mit einem satten Geräusch auf dem Boden. Robin schloss die Hintertür auf.
    Betty wartete, bis er hineingegangen war. Sie würde die Tüte nicht anfassen.
     
    Sie war oben zugeknotet. Betty sah Robin dabei zu, wie er den Knoten aufzerrte. Ein zusammengefaltetes Blatt Papier fiel heraus. Er strich es auf dem Tisch glatt, und sie las über seine Schulter hinweg die maschinengeschriebenen Zeilen.
     
    Liebe Mrs. und Mr.   Thorogood,
     
    während der Renovierungsarbeiten der vorherigen Bewohner Ihres Hauses wurde neben dem Kamin in einer Aussparung in der Wand dieses Behältnis gefunden. Die vorherigen Bewohner zogen es vor, es nicht zu behalten, und gaben es weg. Es wird vorgeschlagen, dass Sie es wieder seinem angestammten Platz zuführen.
     
    Mit den besten Wünschen,
    Die Einheimischen
     
    «‹Die Einheimischen›?»
    Robin ließ den Zettel auf den Tisch segeln. «
Alle
Einheimischen? Ist die gesamte Bevölkerung von Old Hindwell zusammengekommen, um den Neuankömmlingen ein hölzernes Kästchen mit   …» – er hob den aufklappbaren Deckel an – «…   mit Papier drin zu präsentieren?»
    Der kleine Kasten war aus Eiche. Er sah gar nicht mal so alt aus. Vielleicht hundert Jahre, dachte Betty. Er hatte dieselbe Größe wie der Federkasten, den sie als Kind gehabt hatte – schmal, geformt wie ein Sarg. Wahrscheinlich würde er in den Hohlraum passen, den ein einzelner herausgenommener Ziegelstein hinterließ.
    Sie war froh, dass nur Papier darin war, nicht   … na ja, Knochen oder so was. Sie hatte nicht ernsthaft an Sprengstoff gedacht, nuran Knochen. Warum dachte sie so etwas? Sie bemerkte, dass sie leicht zitterte, und behielt ihre rote Skijacke an.
    Robin war aufgeregt, natürlich: Ein schattenhafter Fremder hatte einen mysteriösen hölzernen Kasten und einen rätselhaften Brief hinterlassen   … das machte ihn an, aber so
richtig
. Sie wusste, dass Robin innerhalb der nächsten Stunde den Ort wiederfinden würde, an dem der Kasten ursprünglich gestanden hatte, und wenn er dafür den ganzen Kamin auseinandernehmen musste. Er hatte seine Fleecejacke ausgezogen und den Fez abgenommen. Der Krieger vor der Festungsmauer hatte sich in einen großen unschuldigen Schuljungen verwandelt.
    Robin schaltete alle Küchenlampen an – bisher nur nackte Glühbirnen. Sie hatten in diesem Raum noch rein gar nichts gemacht. Es gab ein altes Keramikspülbecken, einen skurrilen Rayburn-Ofen und unter dem Fenster den Esstisch aus Kiefernholz samt den Stühlen aus ihrer Wohnung. Der Tisch war viel zu klein für diese Küche. Vor der Wand und dem Fenster, das die abendliche Landschaft umrahmte wie ein Bild, wirkte er wie   … na ja, wie ein Altar. Für den dies nicht der richtige Ort war – und überhaupt war Betty noch nicht sicher, dass sie einen Altar im Haus wollte. Sie hatte nicht zuletzt deshalb aufs Land gewollt, um dort über ihre Zukunft nachzudenken, und zu der würde ihr

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