Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
sagte der Chronist. »Ihr beweist damit gar nichts.«
»Wieso müsste ich Euch irgendwas beweisen?«, fragte Bast. »Weshalb sollte es mich überhaupt interessieren, was Ihr denkt? ErfreutEuch doch Eurer Beschränktheit und Ignoranz. Ich erweise Euch einen Gefallen, indem ich Euch nicht die Wahrheit sage.«
»Und was für eine Wahrheit wäre das?«, fragte der Chronist unverhohlen gereizt.
Bast seufzte erschöpft und sah den Chronisten an, sein Gesichtsausdruck aller Hoffnung bar. »Ich würde lieber gegen Haliax höchstpersönlich kämpfen«, sagte er, »lieber gegen die gesamten Chandrian antreten, als auch nur zehn Worte mit dem Cthaeh zu wechseln.«
Das gab dem Chronisten zu denken. »Aber die würden Euch töten«, sagte er und ließ es ein klein wenig wie eine Frage klingen.
»Ja«, sagte Bast. »Dennoch.«
Der Chronist starrte den dunkelhaarigen Mann an, der ihm, in eine Flickendecke gehüllt, gegenübersaß. »Irgendwelche Geschichten haben Euch gelehrt, den Cthaeh zu fürchten«, sagte er, und sein Widerwille war nicht zu überhören. »Und diese Furcht macht Euch dumm.«
Bast zuckte die Achseln und wandte den leeren Blick wieder dem erloschenen Feuer zu. »Ihr langweilt mich, Menschlein.«
Der Chronist stand auf, trat einen Schritt vor und versetzte Bast eine schallende Ohrfeige.
Basts Kopf flog zur Seite, und einen Moment lang schien er zu schockiert, um sich zu regen. Dann sprang er blitzartig auf, und die Decke flog ihm von den Schultern. Er packte den Chronisten bei der Kehle, mit gebleckten Zähnen, und seine Augen leuchteten tiefblau.
Der Chronist sah ihm unverwandt in die Augen. »Der Cthaeh hat all das in Gang gesetzt«, sagte er ganz ruhig. »Er wusste, dass Ihr mich angreifen würdet, und schreckliche Dinge werden daraus folgen.«
Basts wütende Miene erstarrte, und er bekam große Augen. Dann wich die Anspannung aus seinen Schultern, und er gab den Hals des Chronisten frei und ließ sich wieder aufs Sofa sinken.
Der Chronist holte aus und ohrfeigte ihn erneut, noch schallender als zuvor.
Bast bleckte wieder die Zähne und hielt dann inne. Sein Blick schoss zu dem Chronisten hinüber, dann wieder fort.
»Der Cthaeh weiß, dass Ihr ihn fürchtet«, sagte der Chronist. »Und er weiß auch, dass ich dieses Wissen gegen Euch einsetzen würde. Ermanipuliert Euch immer noch. Wenn Ihr mich jetzt nicht angreift, werden schreckliche Dinge daraus folgen.«
Bast erstarrte, wie gelähmt, halb sitzend, halb stehend.
»Hört Ihr mir zu?«, fragte der Chronist. »Werdet Ihr endlich wach?«
Bast blickte verwirrt und verwundert zu dem Chronisten hinüber. Seine Wange lief rot an. Er nickte und ließ sich langsam wieder auf das Sofa sinken.
Der Chronist holte erneut aus. »Was werdet Ihr tun, wenn ich Euch noch einmal schlage?«
»Euch grün und blau prügeln«, erwiderte Bast ganz ernst.
Der Chronist nickte und nahm ebenfalls wieder Platz. »Also gut. Gehen wir einmal des Argumentes wegen davon aus, dass der Cthaeh tatsächlich die Zukunft kennt. Das bedeutet, dass er viele Dinge lenken kann.« Er hob einen Zeigefinger. »Aber nicht alles. Das Obst, das Ihr heute gegessen habt, hat doch köstlich geschmeckt, oder?«
Bast nickte zögernd.
»Wenn der Cthaeh tatsächlich so böse wäre, wie Ihr behauptet, würde er Euch auf jede nur erdenkliche Weise schaden. Aber das kann er nicht. Er konnte Euch nicht daran hindern, Euren Reshi heute Morgen zum Lachen zu bringen. Er konnte Euch nicht daran hindern, den Sonnenschein auf Eurem Gesicht zu genießen oder die rosigen Wangen von Bauerntöchtern zu küssen, nicht wahr?«
Der Anflug eines Lächelns zeigte sich auf Basts Gesicht. »Ich habe weit mehr geküsst als nur die Wangen«, sagte er.
»Genau das«, erwiderte der Chronist, »will ich damit sagen. Er kann nicht alles vergällen, was wir tun.«
Bast blickte nachdenklich und seufzte dann. »In gewisser Hinsicht habt Ihr recht. Aber nur ein Idiot bleibt in einem brennenden Haus sitzen und denkt, dass alles in Ordnung wäre, weil ihm das Obst ja noch so gut schmeckt.«
Der Chronist sah sich ostentativ im Zimmer um. »Also für mich sieht es nicht so aus, als würde das Wirtshaus in Flammen stehen.«
Bast sah ihn ungläubig an. »Die ganze Welt steht in Flammen«, sagte er. »Macht doch mal die Augen auf.«
Der Chronist runzelte die Stirn. »Selbst wenn man alles andere außer acht lässt«, sagte er und ließ sich nicht beirren. »Felurian hat ihn gehen lassen. Sie wusste, dass er mit dem Cthaeh
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