Die Geheimnisse der Patricia Vanhelsing
viel besser gelernt hatte, sie zu kontrollieren.
"Lass uns etwas essen, bevor wir diese prähistorische Kultstätte besuchen", hörte ich Toms Stimme wie aus weiter Ferne. "Der Karte nach liegt dieses SixStones ziemlich einsam und wir können wohl kaum damit rechnen, dort irgendwo so etwas wie eine Snack Bar zu finden."
*
Wir kauften in einem Geschäft ein paar Sandwiches und brachen dann auf. Tom saß am Steuer meines 190ers, während ich die Landkarte auf den Knien hatte. Wir hatten Salisbury schnell hinter uns gelassen und fuhren durch eine flache Landschaft. Wiesen wurden hin und wieder durch kleinere Waldstücke oder Anhöhen unterbrochen. Ein paar kleinere Dörfer lagen noch an der Hauptstraße, der wir zunächst folgten. An einer Tankstelle machten wir kurz Halt. Als ich den Tankwart nach dem Weg fragte und dabei das Wort SixStones über die Lippen brachte, erstarrte der bis dahin recht freundliche Mann. Sein Gesicht wurde zur Maske. Gerade noch hatte er in einem fort vor sich hingeplappert, jetzt wurde er einsilbig und verschlossen.
"Gehören Sie auch zu diesen Verrückten?", fragte er dann.
"Welchen Verrückten?"
"Denen, die sich Felle um die Hüften binden und um Lagerfeuer herumtanzen, um damit dunkle Mächte zu wecken."
"Ich finde, dass mir so etwas nicht steht", sagte ich, aber mein Gegenüber hatte keinen Sinn für Humor.
Sein Mund blieb ein dünner, gerader Strich. Sein Blick musterte mich, als ob ich die Inkarnation des leibhaftigen Satans gewesen wäre.
Mit zitternden Fingern nahm er die Pfundnoten, mit denen ich den Kraftstoff bezahlte.
"Gehen Sie", murmelte er dann. "Ich kann Ihnen nicht helfen. Tut mir leid."
"Aber..."
"Leben Sie wohl, Madam!"
Wenig später saßen wir wieder im Wagen. Es war früher Nachmittag, aber man hatte den Eindruck, direkt in die Dämmerung hineinzufahren. So dunkel war es auf einmal geworden. Tom schaltete sogar das Licht an. Wie drohende Ungeheuer schwebten die gewaltigen Wolkengebirge über uns und türmten sich dabei immer weiter auf.
"Hier in der Gegend scheint man ziemlich abergläubisch zu sein", kommentierte Tom. "Aber eigentlich ist das auch nicht verwunderlich. Wenn hier tatsächlich ein Knotenpunkt kosmischer Kraftlinien liegt, dann wird es in der Vergangenheit mit Sicherheit zu zahlreichen unerklärlichen Erscheinungen gekommen sein."
"So wie in den Ruinen von Pa Tam Ran", murmelte ich. Tom nickte.
Die Straße führte nun durch ein finsteres Waldstück. Die Bäume, die zu beiden Seiten der Fahrbahn wuchsen und deren Kronen sich einem Torbogen gleich darüber wölbten, wirkten knorrig und verwachsen. Manche schienen durch Blitzeinschläge deformiert zu sein. Auf den Rinden dieser dicken Riesen hatten sich im Lauf der Zeit eigenartige Strukturen herausgebildet, die wie die Schnitzereien eines von furchtbaren Alptraumphantasien heimgesuchten Künstlers aussahen. Ich hatte das Gefühl, als ob Dutzende von hölzernen Dämonengesichtern uns anblickten.
Die Aura des Todes schien schwer über diesem Landstrich zu lasten. Nirgends waren Vögel oder Tiere zu sehen. Und die Bäume wirkten morsch.
Wir ließen den Wald hinter uns. Auf der anschließenden Ebene waren nirgends Spuren menschlicher Besiedlung zu sehen. Die Wiesen mussten seit langer Zeit nicht mehr gemäht worden sein. Das Gras wucherte hoch empor und hatte eine seltsam blasse Färbung, eine Mischung aus mattem Grün und aschgrau. Wir mussten schließlich die Hauptstraße verlassen. Eine schmale Piste führte quer durch die Wiesen. Der Untergrund bestand zunächst aus Schotter, später wurde daraus ein einfacher Feldweg ohne Bodenbelag. Reifenspuren, die sich tief eingegraben hatten, verrieten, dass hier noch vor nicht allzu langer Zeit Fahrzeuge hergefahren waren.
Die Stoßdämpfer des 190er wurden auf eine harte Probe gestellt. "Wenn ich gewusst hätte, dass wir hier mitten in der Wildnis landen, dann hätten wir besser deinen Wagen genommen!", meinte ich.
Tom grinste.
"Dein Oldtimer hält sich doch ganz wacker."
"Sei trotzdem vorsichtig!"
"Aber sicher!"
Wieder spürte ich ganz leicht diesen charakteristischen Druck hinter meinen Schläfen, mit dem mein Para-Sinn mir die Anwesenheit übersinnlicher Kräfte anzeigte. Ich schloss die Augen und sah zwei Hände vor mir.
Dürre, knochige Hände mit krallenartigen Nägeln, die ihnen etwas Unmenschliches gaben. Zweifellos waren es die Hände jener düsteren Gestalt, die ich in meiner letzten Tagtraumvision ganz kurz gesehen
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