Die Geheimnisse der Patricia Vanhelsing
begriff, dass es Worte sein mussten, die das Wesen hervorbrachte. Worte, die einer uralten Sprache angehören mochten und zu einer mächtigen Beschwörung gehörten.
Alles um mich herum begann sich zu drehen. Ein Strudel aus Farben und Formen entstand. Ich hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu fallen. Direkt in einen Mahlstrom hinein. Kälte umgab mich. Die Kälte zwischen den Sternen. Die Kälte des Limbus zwischen den Welten.
Die Kälte des Todes...
*
Tom Hamilton und Sanranho erreichten das HAUS DER GÖTTER. Die Sonne stand jetzt bereits hoch am Himmel. Die Muster an der Wand hatten sich verändert.
Die beiden Männer traten in den dunklen, röhrenartigen Gang, der ins Atrium führte.
"Patricia!", rief Tom.
Sein Ruf hallte in dem kalten Gemäuer wieder, ohne dass es darauf eine Antwort gab.
Sie erreichten den Innenhof.
Tom blickte sich um.
"Sehen Sie, dort!", rief Saranho und deutete dabei auf jene Stelle im Zentrum des Atriums, wo sich das steinerne Hexagon befunden hatte.
Es war nicht mehr vorhanden.
Statt dessen befand sich dort nur ein Haufen feinen, grauen Staubes. Einige größere Brocken waren auch darunter. Es hatte den Anschein, als ob das steinerne Hexagon regelrecht zersprungen war. Die umliegende Vegetation war im Umkreis mehrerer Meter völlig verkohlt.
Dann sahen die beiden Männer das rötliche Schimmern, das aus einem der Eingänge drang, durch die man ins Innere der Steinquader gelangen konnte.
Sie wechselten einen nachdenklichen Blick.
"Wenn Sie wollen, dann bleiben Sie ruhig hier", meinte Tom.
Saranho kniff die Augen zusammen.
"Sie würden alle Geister der Hölle nicht aufhalten, was?"
"Nicht, wenn es um Patti geht."
"Sie müssen sie sehr lieben..."
Tom schluckte. "Ja, das ist wahr."
"Und Sie nehmen an, dass sie dort zu finden ist?", fragte Saranho nach und deutete dabei mit dem ausgestreckten Arm in Richtung des rötlich schimmernden Ganges.
"Ich weiß überhaupt nichts", erwiderte Tom düster. "Aber ich kenne sie... Und da sie definitiv nicht an Bord der AMAZONAS QUEEN war, muss sie hier sein..." Er atmete tief durch. "Ich kann Ihnen das nicht erklären..."
Saranho nickte.
"Gehen wir!", forderte er.
Etwas zögernd gingen sie auf dieses Schimmern zu. Dann betraten sie den erleuchteten Gang. Die Steinwände sahen aus, als würden sie regelrecht glühen. Schritt für Schritt gingen Tom und Saranho weiter.
Die Farbgebung der Wände veränderte sich.
Das schimmernde Licht, das von ihnen abstrahlte, wechselte nach und nach von blutrot in ein leuchtendes Blau.
Dann erreichten sie einen kreisrunden Raum. Der Anblick des Knochenmobiles verschlug ihnen die Sprache.
In der Mitte befand sich ein Haufen grauen Staubes, das jenem glich, zu dem das Steinhexagon im Atrium zerfallen war.
Auf dem Boden kniete ein Mann.
Er hatte graues Haar und mochte in den Siebzigern sein.
Seine Kleider wirkten ziemlich zerschlissen. Er beugte sich über den Körper einer jungen Frau.
"Patti!", stieß Tom hervor.
Der alte Mann blickte auf.
Er starrte Tom an.
Es ist nicht möglich!, durchzuckte es den Reporter. Er hatte bei Tante Lizzy jede Menge Fotos gesehen, auf denen Frederik Vanhelsing abgebildet gewesen war. Natürlich war die Zeit nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Aber er war es!
Daran konnte es nicht den geringsten Zweifel geben!
*
Das erste, was ich sah, als ich erwachte, waren Toms meergrüne Augen.
"Tom!", stieß ich hervor.
Ich versuchte, mich zu bewegen und stellte fest dass mir noch immer schwindelig im Kopf war. Ich fühlte mich so, als hätte ich wochenlang krank im Bett gelegen und versuchte nun zum ersten Mal wieder, auf eigenen Füßen zu stehen. Tom griff mir unter die Arme, half mir dabei aufzustehen. Ich fühlte mich elend.
Dann sah ich Onkel Frederik.
Und obwohl ich mich sicherlich in den letzten zwanzig Jahren weitaus stärker verändert hatte, als er, erkannte er mich sofort.
"Patricia", flüsterte er, voller Verwunderung und mit ungläubigem Staunen in den Augen. "Du warst ein zehnjähriges Mädchen, als..."
"Als du zu dieser Reise aufbrachst, von der du nie zurückkehrtest."
"Ja, so war es", flüsterte er. "Wie lange..." Er starrte mich an und stockte. "All die Jahre. Wie geht es Elizabeth?"
"Es geht ihr gut, Onkel Frederik. Sie hat sich so nach dir gesehnt..."
Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen.
"Was ist hier eigentlich geschehen, Onkel Frederik? Du hast immer wieder versucht, mich zu warnen..."
"Leider vergebens. Das
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