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Nördlich des Weltuntergangs

Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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    Asser Toropainen, der alte Kirchenbrandstifter, lag im Sterben. Man feierte die Karwoche, am folgenden Tag war Karfreitag.
    Asser war unlängst neunundachtzig geworden. Wie es jetzt aussah, würde er die neunzig nicht lebend erreichen. Was sollte man da machen, auch der härteste Kerl musste irgendwann dran glauben.
    Asser lag in der großen grauen Stube seines Hauses im Einöddorf Kalmonmäki im südlichen Kainuu. Die betagte Standuhr tickte in ihrem Gehäuse aus geflammtem Birkenholz und maß die letzten Lebensstunden des Alten. Die weiblichen Familienmitglieder, die alten Schwestern und die Nichte, schlichen nur noch auf Strümpfen durchs Haus. In der Woche zuvor war ein Arzt vom Gesundheitszentrum aus Sotkamo da gewesen, um Assers Blutdruck zu messen. Das Messgerät war zersprungen, was als böses Omen gewertet worden war.
    Behutsam hatte man dem Alten klar gemacht, dass dies möglicherweise sein letzter Winter gewesen war. Auch vom Besuch eines Geistlichen war die Rede gewesen. Im Angesicht des Todes sollte sich der Mensch um seine himmlischen Beziehungen kümmern. Einem alten eingefleischten Kommunisten tue es sicher gut, seine Sünden zu bekennen, schon wegen des eigenen Seelenheils.
    Asser ächzte in seinem Bett. So genannte Sünden hatte er im Laufe seines Lebens wohl begangen, das ließ sich nicht leugnen. Die Zeiten waren unruhig gewesen, das ganze lange Jahrhundert hindurch. Da war es oft genug heiß hergegangen. Asser hatte an sechs Kriegen teilgenommen. Auf mehrere Kontinente hatte es ihn verschlagen, er war von Murmansk bis Alaska, vom Ladoga bis nach Wladiwostok gereist. Sein grauer Kopf versuchte, die Erinnerungen heraufzuholen. Da waren Bilder und Geräusche: schneebedeckte Steppen, endlose Schienenstränge, rauchende Lagerfeuer, knatternde Gewehrsalven. Kieferflöße, die aneinander krachten, rauschende Wasserfälle, brennende Panzer und qualmende Kirchenruinen. Wolkenkratzer und Ozeandampfer, fallendes Zuckerrohr und Mädchenköpfe, die ins Maisfeld sanken. Gutes und Schlechtes, ein ungestümes Leben, Zeiten des Übermuts, aber auch des schmerzlichen Elends. Ein ständiger Kampf eben, wie es sich für einen eingefleischten Kommunisten gehörte, Aufbegehren gegen Gott, die Geistlichkeit und die Kirche. Das war Asser Toropainen, ein Atheist unserer Zeit, der letzte Kommunist der Welt.
    »Kommt mir bloß nicht mit einem salbadernden Priester…, aber schafft einen Notar her. Das Testament muss ins Reine geschrieben werden.«
    Der Notar wurde geholt, das Testament auf den letzten Stand gebracht und gleichzeitig die Asser-Toropainen-Kirchenstiftung gegründet. Der Sterbende kritzelte seinen Namen unter die Papiere. Er beauftragte den Notar, seinen Enkel aufzuspüren und ihn zu bitten, den Großvater zu besuchen. Er müsse mit ihm einen bestimmten Punkt aus dem Testament besprechen.
    Der Karfreitag brach an, ein grauer und trüber Tag. Schneeregen fiel. Durch den schwarzen Fichtenwald am Rande des Dorfes flatterten Raben. Im Radio wurde der Gottesdienst übertragen. Der Pastor fand harte Worte für den gewaltsamen Tod Jesu vor zweitausend Jahren, sodass der Eindruck entstand, die Finnen wären schuld an der besagten Gräueltat. Asser befahl den Frauen, das Radio auszuschalten. Er hatte wahrhaftig auch ohne die Kreuzigung genug Sorgen, sein Ableben machte ihm weidlich zu schaffen.
    Gegen Mittag trat sein höchst lebendiger Enkel Eemeli Toropainen in die Stube, ein kräftiger Mann von fünfundvierzig Jahren, ehemals Direktor der Nordischen Holz-Haus AG. Die mittelgroße Firma, die Blockhäuser hergestellt hatte, war infolge der Rezession ein halbes Jahr zuvor in Konkurs gegangen. Eemeli schlug seine nasse Fellmütze am Türrahmen ab, dass die Tropfen nach allen Seiten spritzten, dann trat er ans Bett, um seinen Großvater zu begrüßen.
    »Nanu, Opa! Dein letztes Stündlein hat geschlagen?«
    »Das behaupten jedenfalls die Weiber.«
    Eemeli Toropainen schüttelte dem Alten eine Weile die Hand, dann sank dieser wieder in seine Kissen. Darauf förderte der Enkel aus den Tiefen seines Pelzes eine Cognacflasche zutage und flößte dem Alten einen Schluck ein. Asser musste husten.
    »Danke, Junge.«
    Die Männer sahen einander gerührt an. Eemeli klopfte seinem Großvater die Kissen auf. Der Alte war nur noch Haut und Knochen. Früher war er ein Kerl von einem Mann gewesen, ein Draufgänger, ein tüchtiger Arbeiter und umtriebiger Geschäftsmann, viel unterwegs, hatte sein Leben lang ständig unter Dampf

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