Die Geheimnisse des Nicholas Flamel - Die silberne Magierin: Band 6 (German Edition)
hochhielt. Er spürte die unglaubliche Energie, die sich in der Pyramide sammelte, sie zum Beben brachte und nur darauf wartete, freigesetzt zu werden. Er würde diese Insel zerbrechen und die Welt der Älteren zerstören und damit im selben Moment den Beginn der Welt der Menschen einläuten.
»Leb wohl, Sophie«, sagte Josh Newman. Dann bohrte Marethyu den Haken vor sich in die Pyramide und sprach laut die letzten Worte, die er im Codex gelesen hatte:
»Heute bin ich zum Tod geworden, zum Weltenzerstörer.«
FREITAG, 8. Juni
KAPITEL NEUNUNDSIEBZIG
N icholas und Perenelle Flamel gingen Arm in Arm über die Insel Alcatraz. Sie waren unendlich gealtert, jedes ihrer sechshundert Lebensjahre hatte sich in ihre Haut und die Knochen eingegraben.
Im Osten ging die Sonne auf und eine eisige Brise wehte vom Pazifik herüber. Sie fegte die letzten stinkenden Nebelschwaden weg, den ekelhaften Geruch von verbranntem Fleisch, versengtem Holz und geschmolzenem Stein. Langsam roch die Luft wieder salzig und sauber.
Sie gingen am Landeplatz vorbei und folgten dem Agave Trail bis fast genau zu der Stelle, an der sie zwölf Stunden zuvor an Land gegangen waren. Die Bank war feucht und Nicholas bückte sich und rieb sie mit dem Ärmel trocken.
Er setzte sich neben sie und sie lehnte sich an ihn. Als er den Arm um sie legte, spürte er ihre Knochen durch die Haut. Wie zerbrechlich sie wirkte. In der frühen Morgendämmerung tauchte wie eine Geisterstadt direkt vor ihnen San Francisco aus dem Dunst auf.
»Sind keine Meerjungfrauen mehr im Wasser?«, fragte Perenelle.
»Da Nereus nicht mehr da ist, hält sie hier nichts mehr.«
»Wenigstens steht die Stadt noch.« Perenelles Stimme war nur noch ein Hauch. »Ich sehe keinen Rauch aufsteigen.«
Nicholas blickte nach rechts und links. »Und die Brücken sind unversehrt. Das ist ein gutes Zeichen.«
»Prometheus und Niten haben uns nicht im Stich gelassen. Sie müssen überlebt haben. Das hoffe ich zumindest sehr«, fügte sie ernst hinzu. »Wir haben in dieser Nacht so viele gute Freunde verloren.«
»Sie gaben ihr Leben für das, was sie für richtig hielten«, erinnerte er sie. »Sie gaben ihr Leben, damit andere leben können und die Welt weiterbesteht. Ein besseres Opfer gibt es nicht. Und die Stadt existiert noch, also war ihr Opfer nicht umsonst.«
»Und wie steht es mit uns, Nicholas? Haben wir immer das Richtige getan?«
»Vielleicht nicht immer«, gab er leise zu. »Aber wir haben immer getan, was wir für richtig hielten. Ist das dasselbe?«
»In letzter Zeit habe ich mich gefragt, ob wir überhaupt nach den legendären Zwillingen hätten suchen sollen.«
»Wenn wir es nicht getan hätten, hätten wir auch Sophie und Josh nicht gefunden«, erwiderte Flamel. »Von dem Augenblick, als ich das Buch von Abraham gekauft habe, war unser Leben eine Reise, die uns zu diesem Ort und in diese Zeit geführt hat. Es war unser Schicksal und kein Mensch kann seinem Schicksal entrinnen.«
»Wo die Zwillinge jetzt wohl sind?«, fragte Perenelle leise. »Ich wüsste es gerne … vor dem Ende. Ich muss wissen, dass sie überlebt haben.«
»Sie sind in Sicherheit«, antwortete er zuversichtlich. »Sonst würde die Welt nicht weiterexistieren.«
Perenelle nickte. »Du hast recht.« Sie schmiegte ihre Wange an Nicholas’ Arm. »Es ist so friedlich hier«, stellte sie fest. »Alles ist so ruhig heute Morgen.«
»Keine Möwen. Die Monster haben sie entweder gefressen oder verscheucht. Aber bestimmt kommen die ersten bald wieder zurück.«
Das hohe Gras raschelte in der Brise und die Wellen schlugen in einem gleichmäßig beruhigenden Rhythmus an die Felsen.
Perenelle schloss die Augen. »Die Sonne ist schon warm«, murmelte sie.
Nicholas legte seine Wange leicht auf ihren Kopf. »Sehr warm. Das wird ein wunderschöner Tag heute.«
Während sie da saßen, stieg die Sonne am Himmel langsam höher, beschien die Bay Brücke mit ihrem goldenen Licht und brachte sie zum Strahlen. San Francisco erwachte, Verkehrslärm drang schwach und wie Musik herüber.
»Du weißt, dass ich dich immer geliebt habe«, sagte Nicholas leise.
Nach langem Schweigen flüsterte Perenelle: »Ich weiß es. Und du weißt, dass ich dich liebe?«
Er nickte. »Ich habe nie auch nur einen Augenblick daran gezweifelt.«
»Ich wäre gern in Paris begraben«, sagte Perenelle unvermittelt, »in den Gräbern, die wir vor all den Jahren für uns vorbereitet haben.«
»Spielt es eine Rolle, wo wir liegen?
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