Die geheimnißvolle Insel
er mit etwas frischem, in einer großen Muschel aus dem Flusse geschöpftem Wasser benetzte.
Schweigend umstanden ihn seine Gefährten. Nachdem sich Cyrus Smith, so gut es eben anging, gestärkt hatte, kreuzte er die Arme und sagte:
»Meine lieben Freunde, Ihr wißt also noch nicht, ob das Schicksal uns nach einer Insel oder einem Festlande geworfen hat?
– Nein, Mr. Cyrus, antwortete der junge Mann.
– Morgen werden wir uns darüber klar werden, fuhr der Ingenieur fort; bis dahin ist Nichts zu machen.
– Doch, versetzte Pencroff.
– Was denn?
– Feuer, sagte der Seemann, der auch seinerseits von einer fixen Idee geplagt wurde.
– Darum sorgen Sie sich nicht, Pencroff, erwiderte Cyrus Smith. – Als Ihr mich hierher trugt, glaubte ich im Westen einen höheren, die ganze Umgebung beherrschenden Berg zu sehen?
– Gewiß, bestätigte Gedeon Spilett, einen Berg von sehr beträchtlicher Höhe …
– Gut, unterbrach ihn der Ingenieur, morgen besteigen wir dessen Gipfel und halten Umschau. Bis dahin, wiederhole ich, ist Nichts zu thun.
– Und doch, wir müssen Feuer machen, wiederholte auch nochmals der Seemann.
– Das soll und wird ja geschehen! erwiderte Gedeon Spilett. Nur etwas Geduld, Pencroff!«
Der Seemann maß Gedeon Spilett mit einem eigenthümlichen Blicke, so als wollte er sagen: »Wenn’s nur auf den ankäme, würden wir noch lange auf ein Stück Braten zu warten haben!« Doch er schwieg.
Cyrus Smith hatte bei diesem Zwiegespräch kein Wort fallen lassen. Die Frage wegen des Feuers schien ihn nur wenig zu bekümmern. Einige Augenblicke blieb er in Gedanken versenkt, dann begann er:
»Meine Freunde, wir befinden uns zwar in einer recht bedauerlichen Lage, doch ist diese sehr einfach. Entweder beherbergt uns jetzt ein Festland, dann werden wir um den Preis größerer oder geringerer Anstrengung irgend einen bewohnten Punkt zu erreichen suchen; oder aber, wir sind auf einer Insel. Im letzteren Falle ist zweierlei möglich: entweder hat sie Bewohner, dann werden wir uns mit denselben so gut als möglich abfinden müssen, oder sie ist wüst, dann gilt es, uns mit eigenen Kräften zu helfen.
– Gewiß liegt das auf der Hand, meinte Pencroff.
– Doch, ob Festland oder Insel, fragte Gedeon Spilett, wohin meinen Sie überhaupt, Mr. Cyrus, daß uns dieser Orkan verschlagen habe?
– Ganz genau kann ich das natürlich nicht wissen, entgegnete der Ingenieur, doch sprechen alle Annahmen für ein Land des Pacifischen Oceans. Als wir Richmond verließen, wehte der Wind aus Nordosten, und seine Stärke macht es wahrscheinlich, daß er diese Richtung auch beibehalten hat. Darnach wären wir über die Staaten Nord-Carolina, Süd-Carolina und Georgia, über den Mexicanischen Golf und Mexico selbst, und endlich über einen Theil des Stillen Oceans geflogen. Die vom Ballon zurückgelegte Entfernung schätze ich nicht unter 6 bis 7000 Meilen; im Fall die Richtung des Windes aber sich etwas geändert hat, so müßte er uns entweder nach dem Mendana-Archipel oder nach den Pomotu-Inseln, hätte er aber eine noch größere Geschwindigkeit besessen, als ich annehme, vielleicht nach Neu-Seeland geführt haben. Sollte sich letztere Annahme bestätigen, so würden wir leicht nach Hause zurückkehren können. Ob Engländer oder Maoris, wir träfen auf jeden Fall Menschen. Gehört diese Küste im Gegentheil aber zu einer wüsten Insel eines mikronesischen Archipels, was von dem Berggipfel im Innern aus vielleicht zu erkennen ist, so werden wir uns hier, so als sollten wir nimmer fortkommen, möglichst gut einzurichten suchen.
– Nimmer! rief der Reporter, Sie sagen: Nimmer! Lieber Cyrus?
– Besser ist, entgegnete der Ingenieur, zuerst den schlimmsten Fall in’s Auge zu fassen, dann kann jeder Zufall unsere Lage nur noch verbessern.
– Sehr wahr, bemerkte der Seemann. Zudem steht zu hoffen, daß diese Insel, wenn es überhaupt eine solche ist, nicht ganz und gar außerhalb der gewöhnlichen Schiffsstraßen liegt. Das hieße sonst wahrlich unglücklich spielen.
– Woran wir sind, können wir vor Besteigung jenes Berges zunächst nicht wissen, antwortete der Ingenieur.
– Doch, Mr. Cyrus, fragte Harbert, werden Sie morgen schon im Stande sein, sich der Strapaze einer Besteigung auszusetzen?
– Das hoffe ich, mein junger Freund, erwiderte der Ingenieur, in der Voraussetzung freilich, daß Meister Pencroff und Du Euch als geschickte Jäger erweist.
– Mr. Cyrus, antwortete der Seemann, da Sie vom Jagen
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