Die Geliebte des griechischen Reeders
musste. Als Atreus mit ihr durch die Eingangshalle ging, wäre sie am liebsten zum Aufzug gerannt, um möglichst von niemandem gesehen zu werden.
„Bist du gar nicht müde?“, fragte sie ihn erstaunt, als er erneut telefonierte.
„Mein Adrenalin arbeitet immer noch auf Hochtouren.“
„Tut mir leid wegen Chantry House . Die Renovierungsarbeiten waren eigentlich fast abgeschlossen, nicht wahr?“
„Zum Glück besitze ich noch andere Häuser, ich muss also nicht auf einer Parkbank schlafen“, winkte Atreus gelassen ab.
Spontan berührte Lindy seinen Arm. „Ich habe den Riss in deinem Jackett gesehen. Bist du verletzt?“, fragte sie besorgt.
Atreus bemerkte ihren warmherzigen Gesichtsausdruck und fragte sich, wann ihm das letzte Mal eine Frau echtes Mitgefühl entgegengebracht hatte. Eigentlich noch nie, musste er sich zynisch eingestehen, nicht einmal in seiner Kindheit. Seiner Erfahrung nach waren Frauen talentiert im Nehmen, und alles, was tieferer Gefühle bedurfte, war ziemlich kostspielig.
„Es ist nur eine Schramme.“
Sie blickten sich an, und Lindys Magen flatterte vor Aufregung. Die Aufzugtüren glitten auf, doch es kostete sie Mühe, sich von Atreus abzuwenden. Gemeinsam folgten sie dem Hotelpagen bis zu der Suite. Verkrampft und unsicher betrat Lindy einen elegant eingerichteten Empfangsraum, der mit frischen Blumen geschmückt war. Atreus’ edler Lederkoffer wurde in ein Schlafzimmer getragen, in einem zweiten Raum entdeckte Lindy ihre alte Reisetasche.
„Ich habe uns etwas zu essen bestellt“, sagte Atreus. „Soweit ich mitbekommen konnte, hast du nichts gegessen.“
„Ich gehe mich erst mal umziehen“, erwiderte Lindy ausweichend und betrat das zweite Schlafzimmer.
Im Bad zog sie sich aus, duschte und wusch sich das Haar mit vom Hotel bereitgelegten Toilettenartikeln. Es tat gut, Schmutz und Rauchgerüche fortzuspülen, die alles überzogen und durchdrungen hatten. Endlich fühlte sie sich wieder sauber und föhnte ihr duftendes Haar. Sie schlüpfte in ihren langen grünen Rock und ein cremefarbenes T-Shirt, der Einfachheit halber verzichtete sie auf Strümpfe und blieb barfuß.
Prüfend betrachtete sie ihr Spiegelbild: Das lange braune Haar glänzte seidig, doch seine natürlichen Wellen ließen sich nie so recht bändigen, und ihr Gesicht schien nach dem Waschen zu glühen.
Im Salon stand ein Servierwagen mit verlockend aussehenden Imbisshappen bereit. Atreus erwartete Lindy, auch er war locker gekleidet. Er hatte das dunkle feuchte Haar zurückgestrichen und trug schwarze Designerjeans zu einem Hemd, an dem er die beiden obersten Knöpfe offen gelassen hatte. Als Lindy erschien, betrachtete er sie einen Moment nachdenklich, dann lächelte er.
Es war dieses Lächeln, das Lindy durcheinanderbrachte und seltsame Empfindungen in ihr weckte. Leicht benommen setzte sie sich und betrachtete Atreus unter halb gesenkten Lidern. Er wirkte frisch und hatte sich rasiert, die Bartschatten waren verschwunden. Etwas an ihm zog sie unwiderstehlich an, er war die Verkörperung sexueller Ausstrahlung. Noch nie hatte ein Mann sie so in seinen Bann geschlagen.
Zögernd lud Lindy sich einige Happen auf einen Teller und aß sie ohne rechten Appetit, während Atreus ihr von den Besprechungen berichtete, die er für den Morgen angesetzt hatte. Der Klang seiner sinnlichen Stimme ging durch ihren ganzen Körper. Wenn sie seinem Blick begegnete, hatte sie das Gefühl zu schweben. Das erschreckte und erregte sie. So hatte sie noch nie empfunden, sie musste auf der Hut sein.
Sobald sich eine Gelegenheit dazu bot, stand Lindy auf und strich sich den Rock glatt. „Atreus, ich bin schrecklich müde und möchte mich hinlegen. Danke für das Nachtmahl. Und es war himmlisch, duschen zu können“, setzte sie warmherzig lächelnd hinzu und zog sich in ihr Zimmer zurück.
Verblüfft blickte Atreus auf die geschlossene Schlafzimmertür. Wann hatte eine Frau ihn einfach sitzen lassen und auf seine Signale nicht reagiert? Eigentlich noch nie. Er wusste nicht recht, ob er das komisch oder beleidigend finden sollte.
Einen Moment lang lehnte Lindy sich an die geschlossene Tür und war stolz auf sich. Sie hatte Atreus widerstanden, dem tollsten Mann, der ihr je begegnet war. Und er hatte sie attraktiv gefunden! Oder hatte er einfach die Gelegenheit zum Flirten genutzt, weil sie nach einem langen aufreibenden Tag zufällig da gewesen war? Eins war ihr klar: Atreus Dionides war sicher gewesen, mit ihr heute Nacht
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