Die Genesis-Affäre: Mind Control (German Edition)
Programm und schalten live nach Berlin. Wir erwarten Bundeskanzler Helmut Zander, der sich mit einer Erklärung an die Nation wenden möchte. Vor Ort befindet sich meine Kollegin Lena Jansen.« Der Sprecher wandte sich einem Monitor zu, auf dem die Fernsehmoderatorin vor dem Bundeskanzleramt zu sehen war. Sie hielt ein Mikrofon in der Hand und wartete auf ihren Einsatz. Die Kulisse erweckte keineswegs den Anschein eines aufsehenerregenden Ereignisses. Es war eher ein gewohntes Bild, wie man es von Auslandskorrespondenten kannte, die in Nachrichtensendungen per Satellit Interviews gaben.
»Frau Jansen, können Sie unseren Zuschauern schon etwas zur gegenwärtigen Lage im Kanzleramt sagen? Ist Bundeskanzler Zander schon vor die Mikrofone getreten?«
Als die Zuschauer hörten, dass von der Lage im Kanzleramt gesprochen wurde, fühlten sie sich in ihrer Theorie eines Terroranschlags bestätigt. Es war bekannt, dass das Kanzleramt Ziel von Terroristen war. Erst vor wenigen Wochen wurde in der Poststelle eine Paketbombe gerade noch rechtzeitig entdeckt, die an den Kanzler persönlich adressiert gewesen war.
Die Regie übernahm die Kamera, in die Lena Jansen blickte. Als sie das rote Licht aufleuchten sah und über ihre Ohrhörer den Hinweis bekam, dass sie auf Sendung sei, begann sie souverän wie immer mit ihrer Berichterstattung. So routiniert sie auch sein mochte, konnte sie Sekunden später ihre Anspannung nicht mehr gänzlich überspielen. Im Gegensatz zu den vielen Zuschauern lebte sie nicht mit Spekulationen, sondern wusste bereits, was sich hinter den Mauern des Kanzleramts abspielte.
»Vor wenigen Minuten gab die Pressestelle bekannt, dass Bundeskanzler Helmut Zander …« Lena Jansens Stimme klang mechanisch, wie man es von ihr gar nicht kannte. Sie war eine beliebte Moderatorin, die mit Humor und Charme durch die verschiedensten Sendungen führte. In der Beliebtheitsskala fand man ihren Namen ganz oben. Aber heute wirkte sie äußerst angespannt und man gewann den Eindruck, dass ihr die Arbeit vor der Kamera diesmal keinen Spaß machte.
Als sie mit einer Erklärung beginnen wollte, wurde sie von der Regie unterbrochen.
»Bitte entschuldigen Sie«, sagte sie ins Mikrofon, »gerade erhalte ich eine Regieanweisung.« Sie drückte sich ihren Ohrhörer fester ins Ohr, damit sie trotz der starken Umgebungsgeräusche gut verstehen konnte. Sie konzentrierte sich auf die Anweisung, bevor sie wenige Augenblicke später wieder in die Kamera sprach.
»Wie ich soeben erfahre«, fuhr sie fort, »tritt in diesem Moment Bundeskanzler Zander vor die Mikrofone. Wir schalten deshalb in den Mediensaal des Kanzleramtes und übertragen die Pressekonferenz mit Bundeskanzler Helmut Zander in voller Länge. Im Anschluss melde ich mich mit näheren Informationen und Kommentaren.«
Als Helmut Zander den Pressesaal betrat, empfand er das viele Klicken der Kameraverschlüsse scheinbar tausendfach verstärkt wie eine Folter. Am liebsten hätte er sich gleichzeitig Ohren und Augen zugehalten. Es war ihm deutlich anzumerken, wie schwer ihm der Weg zum Rednerpult fiel. Wie oft hatte er während seiner Amtszeit hier an dieser Stelle gestanden, um eine Presseerklärung abzugeben? Mehr als zehn Jahre war im Amt und von daher müsste es absolute Routine sein, vor die Masse der neugierigen Journalisten zu treten und ihnen Rede und Antwort zu stehen. Doch heute kam es ihm so vor, als würde er vor das Jüngste Gericht treten. Wortlos blieb er stehen und wischte sich zum wiederholten Male den Schweiß von der Stirn. Sein Gesichtsausdruck war versteinert, wie man es von ihm gar nicht kannte. Es entstand der Eindruck, ein ganz anderer Helmut Zander sei vor die Kameras getreten.
Die vergangenen Wochen hatten ihm stark zugesetzt. Es schien so, als sei er um Jahre gealtert. Vielfach wurde sein Zustand mit den stetig steigenden Problemen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise begründet, die das Land geradezu ausblutete und die Bevölkerung in Arm und Reich spaltete. Doch die Wahrheit war viel tiefgründiger. Alle Probleme, die es gegenwärtig im Land und in Europa gab, sollten in den nächsten Minuten zu Nebensächlichkeiten werden. Schlagzeilen über Rettungsschirme, Zusammenbrüche von Banken und so weiter, würden bestenfalls Randnotizen werden. Die Titelseiten sollte von einem ganz anderen Thema beherrscht werden.
»Herr Bundeskanzler, die Mikrofone sind offen«, hörte Zander eine Stimme sagen. Nun gab es keinen Weg zurück, die
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