Die Gesänge Des Eisplaneten
schüttelte nur den Kopf, als er ihr den Becher zurückreichte.
»Manche Worte vergißt man nicht, Yanaba.« Er legte die Finger über ihrem Herzen auf die Bluse. »Manche Worte entspringen hier, und wenn sie erst einmal ausgesprochen wurden, kann man sie nicht mehr vergessen.«
Sie warf ihm einen langen, nachdenklichen Blick zu.
»Hast du schon deine Wette getätigt?« fragte er und zeigte dabei auf die Anzeigetafel. Irgend jemand hatte gerade ein Kreidezeichen angebracht. »Tolubi liegt um zwei Tage und sechs Stunden daneben.«
»Woher weißt du das?« Yana musterte ihn argwöhnisch.
Er quittierte es mit einem achtlosen Schulterzucken. »Ich darf nicht mitwetten, weil ich so häufig recht behalten habe.«
»Darf ich es denn?«
Sean sah sie geradeheraus an. »Du könntest schon. Aber würdest du es auch tun, obwohl du weißt, daß ich immer recht habe?«
Yana erwiderte seinen Blick. »Wenn du immer recht behältst, würde ich damit einen unfairen Vorteil nutzen.«
»Wetten könntest du trotzdem.« Sein Ton war ausdruckslos, seine Augen wirkten träge.
»Ein sicherer Tip ist doch keine Wette«, warf sie ein. »Und außerdem bin ich sowieso keine Spielernatur.« Sie gewährte ihm ein belustigtes Lächeln. »Ich verliere nämlich immer und möchte nicht deinem Ruf schaden.«
Da mußte Sean lachen, seine Augen funkelten, und Yana merkte, daß ihm ihre Antwort gefallen hatte.
»Was hätte ich überhaupt gewonnen?« wollte sie wissen.
»Ich weiß auch nicht, was es in diesem Jahr sein wird«, antwortete er. »Meistens ist es ein Einkaufsgutschein für den Laden oder auch Welpen, wenn die Würfe im Frühjahr vielversprechend sind.«
Die Musik setzte wieder ein, diesmal war es ein Two-step, und bevor sie protestieren konnte, hatte Sean sie auch schon wieder mitten auf die Tanzfläche geführt und tanzte mit ihr, einen kräftigen Arm um ihre Hüfte gelegt.
Diesmal fand sie beim Tanzen Zeit, die Menge zu mustern, die in der großen Halle umherstand, und sie fragte sich einmal mehr, ob sich hier wohl die gesamte einheimische Bevölkerung Petaybees versammelt hatte. Kinder rasten am Rande der Tanzfläche entlang, stolperten über Füße, schrien, wenn sie sich weh taten, und wurden von jedem getröstet, der sie aufhob und ihnen den Staub aus den Kleidern klopfte; Säuglinge wurden von einem zum anderen gereicht, als die Tanzpartner wechselten. Kleine Mädchen tanzten mit ihren Großvätern, und die Jungen im Teenageralter forderten ihre Tanten und Großmütter auf oder führten kleineren Cousins die Schrittfolge vor; einige wenige ältere Kinder warteten verlegen darauf, von Gleichaltrigen zum Tanz aufgefordert zu werden, doch häufig tanzten auch kleine Mädchen und erwachsene Frauen miteinander.
Yana entdeckte Bunny, die bemerkenswert hübsch aussah und mit Diego in der Nähe des Büffets ins Gespräch vertieft zu sein schien.
Diego hatte bereits begonnen, eine Fleischpastete zu verzehren, und Bunny knabberte an irgendeiner Keule.
Sean war ein hervorragender Tänzer, wahrscheinlich der beste, mit dem Yana je zusammen gewesen war. In den Tanzpausen sorgte Sean für einen vollen Becher und führte sie in der Halle umher, während er Männer und Frauen begrüßte und mit ihnen kryptische Bemerkungen austauschte.
»Was sind das für Leute?« flüsterte sie ihm ins Ohr, als er sie auf ein weiteres Pärchen zulenkte.
»Die Eltern der Bremport-Opfer«, erklärte er.
»Zum Teufel! Das ist unfair, Sean.« Sie versuchte sich loszureißen, doch sein Grinsen blieb ungerührt.
»Weshalb? Sie wissen, daß du singen wirst. Sie wollten dich kennenlernen. Du bist die letzte Verbindung zu ihren Toten.«
»Ach, verdammt! Das ist nicht fair. Nicht mir gegenüber, Sean.«
»Ist es doch, denn jetzt weißt du, nach welchen Gesichtern du Ausschau halten mußt, wenn du singst.«
»Hängst du deshalb wie eine Klette an mir?« fragte sie verbittert.
»Damit ich dieser Tortur auch ja nicht entgehen kann?«
»Es wird keine Tortur für dich werden, Yanaba, sondern eine Befreiung«, widersprach er leise und mit soviel Sanftheit, daß ihr die Knie weich wurden. Verdammte Clodagh! Alles wurde wieder so verwaschen.
Da fiel ihr auf, daß Bunny und Diego sich keinen Augenblick voneinander getrennt hatten.
»Ja, Diego wird auch singen. Du bist nicht die einzige«, meinte Sean, als er bemerkte, worauf sich ihr Interesse richtete. Dann lachte er. »Ob die Trauerklöße vielleicht gern etwas Gesellschaft hätten?« Er schob Yana in
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