Die Giftmeisterin
beharrlich von mir fern, um meine Gefühle nicht zu verletzen - und vielleicht auch, um sich peinliche Momente zu ersparen. Sie hatte ihr Häuschen, in dem er mehrmals wöchentlich die Nacht verbrachte, und wenn er sie - was selten vorkam - in unser Haus holte, so geschah das mit groÃer, fast schon grotesker Diskretion. Gewiss sahen wir uns bisweilen aus der Ferne, doch der Abstand, den wir einzuhalten hatten, war Gebot. Arnulfs Standpunkt war: Diese Frau hat für mich nicht vorhanden zu sein, ihr Vorhandensein ist blanke Theorie. In dieser Nacht also, in der nichts so war wie sonst, wurde die Theorie zur Tatsache.
»Ich frage mich, wie lange das wohl dauert«, sagte Emma. »Kommt er heute Nacht noch mal zurück? Er hat mir nichts gesagt.««
Noch immer war nicht ausgemacht, ob sie mit mir oder ihren Fingernägeln sprach. Ich ging zum Kessel und brühte den Sud auf.
»Ich will auch etwas davon«, rief sie.
Ich wandte mich zu ihr um und sah sie wie ein ungezogenes Balg an, worauf sie immerhin ergänzte: »Bitte.« Also brühte ich ihr ebenfalls Sud auf, den ich wortlos in einer Schale auf den Tisch stellte. Ich sah ihr nachsichtig dabei
zu, wie sie mit ihrem ein wenig kindlichen Mund den heiÃen Trank lautstark schlürfte. Eigentlich hatte ich nichts gegen sie, ich meine, gegen sie persönlich. Ich verabscheute nur die Aufgabe, die sie erfüllte. Da Arnulf ausgeglichener geworden war, seit sie ihm ein Kind geboren hatte, war ich ihr sogar ein wenig dankbar. Ich wiederhole: ein wenig...
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Ich merke gerade, dass ich dabei bin, zu lügen oder zumindest einen Teil der Wahrheit zu verschweigen. Da ich jedoch diesen Bericht mit der Absicht begonnen habe, Rechenschaft abzulegen vor Gott, vor mir und der Welt, ermahne ich mich ernsthaft, nicht bei der ersten Prüfung, die mir abverlangt wird, zu versagen.
Also gestehe ich: Ich war eifersüchtig auf Emma. Gewiss, das war nicht verwunderlich; schon im Alten Testament sind die Haupt- und Nebenfrauen aufeinander eifersüchtig, weil sie nachts demselben Mann zur Verfügung stehen. Aber vielleicht hätte ich meine Eifersucht besser beherrschen können, wenn Emma nicht so unsagbar schön gewesen wäre: lange schwarze Haare, bronzefarbene Haut, groÃe blaue Augen, Tänzerinnenarme - eine Mischung aus Verführung und unnahbarer Kälte. Sie war viel schöner und - was noch wichtiger ist - von stärkerer Wirkung als ich mit meinem braven braunen Haar und der gesunden burgundischen Fülle. Doch damit nicht genug. Emmas Schönheit übertrug sich auf ihre Umgebung. Einmal hatte ich sie aus ihrem unscheinbaren Häuschen kommen sehen, das Neugeborene auf dem Arm, und mit einem Mal hatte ich mir gewünscht, selbst in diesem Häuschen zu leben. Es gibt Frauen, die sind dazu gemacht, Flächenbrände unter den Männern auszulösen, und es gibt Frauen, die sind wie eine Kerze und erleuchten einen schmalen Bereich um sich herum.
Sie gehörte der ersten und ich der zweiten Kategorie an.
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Auch in jener Nachtstunde in der Küche an dem schlichten Tisch genügte ein einfaches Strecken ihrer Arme, um den Moment zu etwas Besonderem zu machen, ihn sozusagen zu veredeln. Sie hatte nichts Billiges an sich, auÃer ihren Umgangston. Ich konnte meinen Blick nicht von ihr abwenden, ich musste ihr dabei zusehen, wie sie sich räkelte und den Kopf mal zur einen, dann zur anderen Seite neigte, wie sie die Augen schloss, wieder öffnete...
»Also, was ist?«, fragte sie. »Kommt er nun zurück oder nicht?«
Ich hatte mich schnell an ihre Anwesenheit, ihre Verwandlung von der Theorie zur Tatsache, gewöhnt und konnte ihr ohne Feindseligkeit antworten. »Ich kann mir nicht denken, dass er vor dem Morgengrauen zurückkommt. Der König wird sich mit ihm besprechen wollen, und dann muss er Spuren überprüfen, den Leichnam aufbahren lassen und so weiter.««
»Ach? Ist jemand tot?«
»Da es einen Leichnam gibt...«
Sie stellte die Schale mit penetranter Heftigkeit auf dem Tisch ab. »Und wer ist tot?«
»Hugo.«
Sie wickelte sich eine Locke um den Finger. »Ei, ei, ei. So was Dummes aber auch.««
Das schien mir, die ich noch immer Gerolds Trauer vor Augen hatte, eine unangemessene Reaktion zu sein, und ich drückte mein Missfallen mimisch aus.
»Du hast mir gar nichts zu sagen«, schleuderte sie mir entgegen.
Zum zweiten Mal blieb
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