Die Göring-Verschwörung
Gestalt, wie aus einem Feenmärchen entsprungen. Magda war von graziöser Schönheit, ohne schmal oder verletzlich zu wirken. Sie trug ein tailliertes weiß-rosa Abendkleid aus Seide, dazu ein strahlendes Lächeln und ging gemessenen Schrittes auf die beiden zu. Ariane stürmte an ihrem Mann vorbei in ihre ausgestreckten Arme. Lange verharrten die Schwestern eng umschlungen, während Clarson, mit der Linken auf seinen Stock gestützt, etwas verloren herumstand und die beiden beobachtete.
Magdas Eltern hatten sich getrennt, als sie vier Jahre alt gewesen war. Sie war danach bei ihrem Vater aufgewachsen, der wieder geheiratet und eine zweite Tochter bekommen hatte. Von Beginn an hatte sie ihre acht Jahre jüngere Halbschwester ins Herz geschlossen und Ariane ihrerseits liebte und bewunderte Magda. Nachdem der Vater 1922 gestorben war, siedelte seine Witwe mit der dreizehn Jahre alten Ariane nach London über. Magda hatte ein Jahr zuvor den Multimillionär Günther Quandt geheiratet. Die Ehe währte nicht lange und 1930, noch während einer Affäre mit einem Funktionär der zionistischen Bewegung, hatte Magda eine Liaison mit Joseph Goebbels begonnen, dem NSDAP-Gauleiter von Berlin. Die beiden hatten ein Jahr später geheiratet und Magda war bald darauf zur Vorzeigefrau der Nazis avanciert.
Clarson war ihr bis heute nur ein einziges Mal begegnet, bei seiner eigenen Hochzeit auf dem Familiengut im vergangenen Dezember. Sie war alleine angereist, die allseits bekannte Ehekrise der Goebbels’ hatte sich gerade auf ihrem Höhepunkt befunden. Er hatte eine Heil Hitler rufende Hysterikerin erwartet und eine höfliche, gebildete Frau getroffen. Auf die kritische Zurückhaltung der anderen Gäste hatte sie mit ausgesuchter Freundlichkeit reagiert und gleichzeitig offen die Rolle der Trophäe genossen, in deren Licht sich sein kranker Vater hatte sonnen dürfen.
Es ging Clarson nicht in den Kopf, wie sie mit einem Mann vom Schlage Goebbels’ verheiratet sein konnte. Der Mann war nicht nur ein Agitator übelster Sorte, der sich radikaler noch als Hitler selbst gebärdete. Auch sein Privatleben schien Goebbels alles andere als tugendhaft zu gestalten. Englische Zeitungen berichteten, dass er seine Stellung als Herr des deutschen Kulturlebens ausnutze, um junge Schauspielerinnen zu sexuellen Abenteuern zu nötigen.
Ariane hatte Magda mehr als einmal bestürmt, ihn zu verlassen, und war stets auf taube Ohren gestoßen. Doch Goebbels hatte den Bogen überspannt, als er im vergangenen Jahr ein ernsthaftes Verhältnis mit der tschechischen Schauspielerin Lida Baarova eingegangen war. Magda hatte die Scheidung erwogen und sich in ihrer Not an ihren Trauzeugen Adolf Hitler gewandt. Dieser hatte dem verliebten Goebbels den Kopf gewaschen und vor die Alternative gestellt, entweder seine Ehe wieder in Ordnung zu bringen oder aber von seinen Ämtern zurückzutreten, so dass der ehrgeizige Goebbels sich nun völlig in der Hand der unversöhnlichen Magda befand. Das Ganze hatte sich zum Flüsterskandal Nummer eins der Berliner Gesellschaft ausgeweitet und der mächtige Propagandaminister litt so sehr unter der Situation, dass er sich Anfang des Jahres gar für ein paar Tage in ein Krankenhaus hatte einweisen lassen.
»Ich bin so froh, Euch zu sehen«, strahlte Magda. »Es tut mir leid, dass ich euch nicht abholen konnte. Überraschend hatte der Führer entschieden, Joseph nach einer Besprechung nach Hause zu begleiten. Ich konnte unmöglich das Haus verlassen. Ich war ganz außer mir vor Freude. Er ist so lange nicht mehr bei uns gewesen. Und ihr werdet den Führer kennenlernen – wundervoll!«
Das Haar hochgesteckt und ausgestattet mit einer ruhigen, gütigen Sprechweise, strahlte sie die Aura einer Filmdiva aus, ganz im Einklang mit ihrem herausgehobenen Status in Hitlers Umgebung.
Im Türbogen zum Flur war ein Mann in einem grauen Zweireiher erschienen und wartete, die Hände angespannt in den Jacketttaschen, dass Magda mit den Gästen zu ihm kam.
Wie klein er doch ist , dachte Clarson. Goebbels’ Körperbau war außerordentlich schmächtig und sein Kopf schien entsprechend viel zu groß und geradezu künstlich auf den Körper aufgepflanzt. Seine hohe Stirn ging in einen halbkugelförmigen Hinterkopf über, unterhalb dessen die Ohren seltsam schief angebracht waren. Das Gesicht war dominiert von einem breiten Mund, der mit seinen dünnen Lippen einer schmalen Kerbe glich, und zwei dunklen, glühenden Augen, die die
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