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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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konnte wirklich sagen, wohin sie auslaufen sollten, doch die meisten Juden hatten dieselbe Befürchtung wie Philippa. Es war erst wenige Jahre her, da hatte der spanische König Hunderte ihrer Glaubensbrüder nach Sao Tome gebracht, einer einsamen Insel mitten im Ozean, wo es nur Eidechsen gab - und giftige Schlangen.
    »Hab keine Angst«, sagte die Mutter. »Vielleicht sind die Schiffe ja unsere Rettung. Hat Gott nicht Noah eine Arche bauen lassen, um ihn vor der Vernichtung zu bewahren?« Philippa unterdrückte ihre Tränen. Ja, vielleicht würde man sie mit den Schiffen nur außer Landes bringen, nach Frankreich oder Deutschland oder Afrika in die Berberei, um die Bedingung der spanischen Infantin zu erfüllen.
    »Da!«, rief Isaak, der Chasan, aus der Synagoge. »Da! Seht nur!« Kaum einen Steinwurf von Philippa entfernt, hatte sich, flankiert von Soldaten, ein Dominikaner in weißem Habit und schwarzer Cappa aufgebaut. Er hielt einen Schlauch Wasser und einen Laib Brot in die Höhe. Als er seine Stimme erhob, schallten seine Worte über den ganzen Platz.
    »Kommt her zu mir alle, spricht Christus, der Herr, ihr alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken!« Die Juden starrten ihn mit leeren Augen an. Der Mönch behauptete, im Auftrag des Königs gekommen zu sein. In Dom Manuels Namen forderte er sie auf, sich zum Christentum zu bekennen, versprach ihnen das himmlische Paradies und irdische Ehren, wenn sie freiwillig die Taufe annehmen würden. Noch während der Dominikaner redete, krochen die ersten Juden zögernd auf ihn zu, auf allen vieren im Staub, wie scheue, hungrige Tiere, die, angelockt vom Duft einer Speise, sich zugleich vor dessen Quelle zu fürchten schienen.
    Obwohl Philippa erst zwölf Jahre alt war, verstand sie, was dort vor sich ging. Vor einem halben Jahr hatte der König von den Kanzeln der Kirchen Befehl erlassen, dass alle jüdischen Untertanen binnen sechs Monaten die Taufe empfangen oder Portugal verlassen müssten - bei Androhung der Todesstrafe. Scharen von Juden hatten daraufhin den katholischen Glauben angenommen, andere waren in fremde Länder geflohen. Zwanzigtausend Menschen aber, die Männer und Frauen auf der Praca, waren geblieben, um sowohl ihrer Heimat als auch ihrem Glauben treu zu bleiben. Jetzt war die Frist verstrichen, die Grenze geschlossen, und Hunger und Durst sollte sie zwingen, ihrem Gott abzuschwören.
    »Jedem von euch, der sich heute taufen lässt«, rief der Dominikaner, »gewährt Dom Manuel die Rückkehr in seine alten Rechte. Jeder darf sein Handwerk ausüben, jeder Handel treiben wie zuvor. Wer aber Christus sein Herz verschließt und sich weigert, seinem Ruf zu folgen, der ist fortan ein Sklave des Königs, sein persönliches Eigentum, mit dem Dom Manuel verfahren wird, wie es Seiner königlichen Majestät beliebt.« Der Mönch verstummte, um seine Rede wirken zu lassen. »Sie wollen unsere Seelen«, murmelte Philippas Vater. »Oder sie schicken uns auf die Galeeren.«
    Philippa hörte zwar die Worte, doch berührten die Laute nur ihr Ohr. Von Hunger und Durst gequält, flößte ihr diese Speisung Begierde und Abscheu zugleich ein. Immer mehr Juden scharten sich um den Mönch. Winselnd verlangten sie die Taufe, reckten die Arme in die Höhe nach den Brotlaiben und Wasserschläuchen, von denen die Soldaten all jenen zu essen und zu trinken gaben, die sich zu Jesus Christus als ihrem Erlöser bekannten. Philippa drehte sich zu ihrem Vater um. Hunger und Durst waren stärker als ihr Abscheu.
    »Bitte«, flüsterte sie, »sie geben uns Wasser und Brot.« »Willst du deine Seele um ein Stück Brot und einen Schluck Wasser verkaufen? Sieh nur, wie sie kriechen im Staub - Würmer vor einer Krähe, der sie sich selbst zum Fraß anbieten.« Ihr Vater hatte Tränen in den Augen, und seine Lippen zitterten, so sehr schmerzte es ihn, ihr die Bitte zu verwehren. Um ihren Blick nicht länger ertragen zu müssen, verhüllte er sein Gesicht mit dem Mantel.
    Die Mutter erkannte Philippas Not. »Ist die Berührung mit ein paar Tropfen Weihwasser wirklich dieses Elend wert?«, fragte sie ihren Mann. »Bitte, habt Erbarmen mit Eurer Tochter!« »Schweig still, Weib«, erwiderte der Vater in seiner Verhüllung, »oder hast du vergessen, dass wir aus dem Hause David stammen?«
    Voller Neid sah Philippa zu, wie die anderen sich am Wasser und Brot der Soldaten labten. Sogar Isaak, der Chasan, war unter ihnen - auch er hatte die Taufe begehrt. Mit verdrehten

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