Die Haie vom Lotus-Garten
verhalten? Jetzt wäre es an der Zeit gewesen,
Kommissar Glockner zu rufen. Aber hinter den Mülltonnen saß Tim wie in einer
Falle. Durchs Fenster zurück in die Damentoilette war unmöglich. Frontaler
Angriff auf Zapp wäre Selbstmord gewesen. Denn garantiert war der Kriminelle
bewaffnet.
Jetzt griff er unter die Jacke.
Eine Pistole lag in seiner Hand. Die andere stützte sich auf den Sims. Dann
ging alles rasend schnell. Die Pistolenhand zerschmetterte die Scheibe. Den Arm
schützend vor dem Gesicht, warf sich Zapp durch die Reste der Glaserarbeit in
den Raum, wobei der helle Vorhang heruntergerissen wurde wie das Spinnennetz
vor dem Eingang zur Schatzhöhle.
Ein mehrstimmiger Aufschrei,
der aber nicht sehr laut war.
Dann gebot Zapp: „Keinen Laut!
Oder ich blase euch die Milz durch die Rippen.“
Stille.
Tim huschte im Entengang, also
halbhoch, zum Fenster und äugte über den Sims in das Privatbüro.
Zapp wandte ihm den Rücken zu
und hielt seine Pistole auf das Quartett gerichtet. Ihnen allen stand der Mund
offen. Grünert, der feiste Boß, saß hinter dem Schreibtisch und griff sich
jetzt an die linke Seite der fetten Brust. Offenbar war sein empfindsames Herz
diesem Schock nicht gewachsen.
Ti, ein kurzwüchsiger Chinese,
wurde gelb im Gesicht. Der andere mußte Blazen sein. Er sah unfreundlich aus
und hielt ein Butterflymesser in der Hand. Aber Zapp zielte auf ihn, und das
Messer wurde fallengelassen.
„Brav so!“ lobte Zapp. „Seid
vernünftig, und nichts passiert. Ich will nur mein Geld. Die 82 000. Meine
Beute. Dafür habe ich geschuftet.“
„Welche 82 000?“ fragte Grünert
mit Röchelstimme. „Das Geld, was ich aus eurem Banksafe geholt habe. Bei
Schneider und Pleitzke.“
„Dann ist es weg, aber nicht
bei uns.“
„Es wurde euch zurückgebracht.
Ich weiß das. Ich weiß es von Polluk und seiner Tussi. Die sind in meiner Gewalt.
Sind gefesselt und im Keller des Bürohauses eingesperrt. Ihr könnt sie
befreien. Aber erst, wenn ich verduftet bin. Mit der Kohle. Nur mit der Kohle!
Also macht keine Zicken.“ Vielleicht hätten sie ihm das Geld gegeben.
Vielleicht hätten sie rumgeredet und Vorschläge für Kompromisse gemacht. Aber
dazu kam es nicht mehr.
Tim fand die Situation
maßgeschneidert für sich — und seine kampfsportlichen Möglichkeiten. Zapp war
zwar ein Hüne, aber schwerfällig. Außerdem stand er mit dem Rücken zum Fenster.
Tim schnellte durch den jetzt
splitterfreien Fensterrahmen. Ein Raubtier schien Zapp ins Genick zu springen.
Gleichzeitig trafen ihn zwei Fäuste von rechts und links. Im Kung Fu heißt
diese Technik: Die Ohren des Gegners treffen. Zapp fiel auf die Knie,
war groggy wie ein Siebenschläfer in tiefster Ruhephase und merkte nicht mehr,
wie ihm die Pistole entrissen wurde.
Tim kniete auf Zapps Rücken und
richtete die Mündung der Waffe auf die kriminelle Versammlung.
„Und nun“, befahl der
TKKG-Häuptling, an Grünert gewandt, „wählen Sie die Notrufnummer des
Polizeipräsidiums. Und zwar so, daß ich sehen kann, was Sie drücken. Dann
kriege ich den Hörer.“
*
Karl und Klößchen hatten sich
bereits Sorgen gemacht wegen Tim, aber noch nichts unternommen. Dann staunten
sie nicht schlecht, als plötzlich Kommissar Glockner, gefolgt von Kollegen, in
das Lokal stürmte.
Wenig später stand fest, daß
nicht nur Zapps Festnahme ein toller Fang war. Auch Grünert, Blazen und Ti
gehörten zur Creme der Unterwelt. Die Haussuchung brachte weitere Beweise
hervor; und schließlich legte Grünert ein umfassendes Geständnis ab. Blazen und
Ti schwiegen, als hätten sie das Sprechen verlernt.
Arnold Waichmaul, ein
Szeneagent — wie er sich nannte — , war noch geständiger. Er hatte kein
Stehvermögen, sondern schmierte sich ein, wo er konnte. Durch ihn wurde das
Drama mit Gotti und Michi in den Hauptrollen aufgeklärt — auch, daß sie beide
blindlings in eine Falle getappt waren. Arnold hatte sie für geeignet befunden,
als Arbeitssklaven für die Haie zu schuften. Die beiden hatten ein Paket voller
Mehl geschmuggelt, das ihnen dann geklaut wurde im Auftrag der Haie, um so die
erpresserische Situation herbeizuführen.
Mit ihren K. o.-Tropfen-Aktionen
hatte sich das Pärchen allerdings in drastischer Weise schuldig gemacht — und
würde sich vor Gericht dafür verantworten müssen. Allerdings würden ihnen
mildernde Umstände die ganze Strenge des Gesetzes ersparen.
Die Kreditkarten-Connection
flog also auf. Auch den internationalen
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