Die Haie vom Lotus-Garten
ihr’s Erwin erzählen wollt?“
„Wenn er verspricht, es
niemandem zu sagen.“ Gotti hob die Schultern.
Michi, die ihre Tränen mit dem
Ärmel wegwischte, meinte: „Jetzt ist sowieso alles egal.“
So erfuhr Erwin Polluk, welchen
Weg die Tasche mit der Bankraubbeute genommen hatte. Und der Wust blonder Haare
auf Polluks Schädel schien zu Berge zu stehen.
Auch das Gesicht verfärbte
sich, und die Froschaugen wurden schmal vor Entsetzen.
„Seid ihr wahnsinnig!“ zischte
er. „82 000! Einfach wegschenken? Beate, du bist... eine Geschäftsfrau wirst du
nie. Und ihr beide seid bescheuert. Wer weiß, ob das stimmt, was diese Haie
behaupten. Soso, Drogen habt ihr also geschmuggelt. Und weil ihr’s vermurkst
habt, müßt ihr die Schulden jetzt abarbeiten. Scheißsituation! Verstehe ich.
Aber mit dem Geld, das in meinen Wagen hineingeworfen wurde — wodurch ja auch
mir etwas zusteht, finderlohnmäßig — hättet ihr die Biege machen können, den Abflug
zum Auswandern. Statt dessen... also, so blöd möchte ich mal sein für fünf
Minuten. Nur um zu sehen, wie man sich dann fühlt.“
„Hör auf mit dem Rumrüsseln!“
fuhr ihn Beate an. „Du ärgerst dich ja nur, weil für dich nun nichts übrig ist.
Aber ich fühle mich edel.“
„Dafür kannst du dir was
kaufen, wie? Das nimmt keiner in Zahlung.“
„Du Koofmich!“
„Ich will doch nur, daß wir das
Geld für eine Wohnung zusammenkriegen.“
Das besänftigte Beate. Für
einen Moment legte sie den Kopf an seine Schulter und einen Arm um seinen Hals,
den anderen Arm hielt sie gestreckt, denn Küßchen strebte zum Haus und hatte
sie krummen Dackelläufe eingestemmt.
Polluk wartete einen Moment, um
die gemütsmäßige Feierlichkeit seiner Braut nicht zu stören. Dann formulierte
er seine Frage ganz unverfänglich.
„Und wie, Beatchen, war das mit
dieser grünen Kassette? Du hast sie verloren, sagst du, wo denn?“
„Als ich geflohen bin vor dem
Kerl.“
„Logo. Morgen müssen wir danach
suchen. Welchen Weg bist du gerannt?“
„Na, hinten raus aus dem Büro,
über den Hof und dann...“
Sie beschrieb es ihm, so gut
sie sich erinnern konnte. Und beschrieb ihm die Stelle, wo sie meinte, das
Poltern der Kassette auf den Boden gehört zu haben.
„Die Polizei“, sagte Polluk,
„weiß also von der Tasche. Dieser Kommissar Glockner weiß es exakt, und die
vier Teenies — drei Jungs und ein Mädchen mit Hund — wissen es auch. Du mußt
also sagen, Beatchen, du hättest die Tasche verloren, irgendwo. Niemand kann
dir das Gegenteil beweisen. Und wir haben sie ja auch wirklich nicht. Nur so
bleiben Gotti und Michi aus dem Spiel und fliegen nicht auf wegen all dem
Scheiß, den sie gemacht haben. Jaja, Zocken und Drogen sind dem Teufel gewogen!
Ist von mir. Verloren. Die Tasche ging verloren auf deiner Flucht. Alles klar?“
Beate nickte.
Gotti und Michi bedankten sich
für Erwins Verständnis.
Beate stellte fest, daß ihre
Eltern noch nicht zu Hause waren, und entschied sich — samt Küßchen — , bei
Erwin zu bleiben, also mit ihm zum Büro zu fahren.
Michi und Gotti verabschiedeten
sich voneinander. Es wurde höchste Zeit für Michi, nun nach ihrer Mutter zu
sehen. Gotti fuhr heim.
19. Mit Hartgeld in der Tasche
Mit dem Schraubenzieher hatte
Karl sein Sparschein geöffnet.
„Ich fühle mich wie ein
Krimineller“, meinte er und zählte das Geld.
Es waren 182DM, das meiste als
Münze; deshalb wurde es gleichmäßig auf die drei Geldbeutel der Jungs verteilt.
„Wie ein Bleiklumpen in der
Hosentasche“, meinte Klößchen. „Wenn ich den Bauch einziehe, verliere ich meine
Jeans.“
„Egal“, sagte Tim. „Geld ist
Geld, und der Lotus-Garten ist ein teures Etablissement. Hoffentlich geht da
noch was. Nicht etwa, daß die eine vorgezogene Sperrstunde haben.“
„Chinesisch futtern“, sagte
Karl, „kann man auch zu später Stunde, ohne dann eine Wampe mit sich
rumzuschleppen wie Klößchen. Denn...“
„Heh!“ fiel ihm Tims dicker
Budenkamerad ins Wort. „Wer schleppt hier eine Wampe! Ich bin zwar nicht
hochgewachsen — der Schub kommt noch — , aber stattlich in der Breite.“
„Denn“, fuhr Karl ungerührt
fort, „China-Kost liegt leicht im Magen. Weil die Kochkunst aus dem Reich der
Mitte Fett meidet, aber reich ist an Sojasprossen und anderem Pflanzengewürm.“
Tim tippte bereits auf die
Telefontastatur. Er hatte die Lotus-Rufnummer im Fernsprechbuch gefunden. Eine
Quietschstimme, obschon männlichen Ursprungs,
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