Die heißen Kuesse der Revolution
erstarb.
Plötzlich wusste Julianne, was Nadine ihr damit sagen wollte. Sollte Dominic nicht zurückkehren, hatte er wenigstens ein Kind gezeugt, das die Familientradition fortführen würde.
Julianne stand am Küchenfenster und blickte hinaus. Der Tag war grau und stürmisch, und die Bäume wurden vom Wind regelrecht gepeitscht. Hinter den kahlen Wiesen schäumte der schwarzgraue Ozean. Julianne sah nichts von all dem. Vor ihrem inneren Auge betrat Dominic gerade den Salon von Bedford House. Seine Augen glänzten stolz, als er sie ansah. In seinen Armen lag ihr neugeborenes Kind.
„Julianne? Du holst dir noch eine Erkältung am Fenster“, sagte Lady Catherine und ergriff ihren Ellbogen. Ihre grünen Augen musterten sie voll Sorge.
Lady Catherine war vor einer Woche mit unzähligen Koffern angereist. Sie hatte offenbar die Absicht, länger zu bleiben. Nadine hatte ihr tatsächlich sofort geschrieben.
„Ich bin mir über Ihre Umstände im Klaren, Miss Greystone“, hatte Lady Catherine gesagt, „und trotz allem, was vorgefallen ist, sind sie ein Segen. Ich bin hier, um unsere gestörten Beziehungen wiederherzustellen.“
Julianne hatte kein Wort herausgebracht, weshalb Amelia ihr zu Hilfe eilte. Sie begrüßte Lady Catherine, entschuldigte sich für den Zustand des alten Herrenhauses, bot Tee an und sorgte dafür, dass die Koffer in die einzige Gästekammer gebracht wurden.
Lady Catherine hatte Nancy sowie ihre eigene Magd mitgebracht, und auch Nadine kam jeden Tag vorbei, oft in Begleitung ihrer kleinen Schwestern. Plötzlich waren die sonst leeren Hallen von weiblichem Schwatzen und Lachen erfüllt!
Schnell stellte sich eine gewisse Routine ein. Die Damen machten gemeinsame Ausflüge und lasen einander im Salon vor. Die Dowager Countess griff nach ihrer Stickerei, wenn Julianne die Wochenzeitung las oder sich für ein Nickerchen zurückzog. Und dann war da auch noch das neue Klavier.
Als Lady Catherine erfuhr, dass es im ganzen Haus kein einziges Instrument gab, Julianne aber früher einmal Klavier gespielt hatte, ließ sie sofort einen wunderbaren Flügel kommen. Er stand nun im Salon, nicht weit vom Kamin, und Julianne spielte jeden Nachmittag.
Ihr Publikum wurde rasch größer. Die sechs Frauen umringten sie ebenso wie Garret, Nancy und die andere Magd Jeanne. Sogar der Stallbursche ließ seine Pflichten ruhen und stahl sich ebenfalls ins Haus, um zuzuhören. Bald begann der Comte d’Archand wie zufällig nachmittags zum Tee zu erscheinen. Er brachte seine Violine mit.
Nur eine Nachricht von Dominic fehlte.
Der Winter war angebrochen. Julianne wusste, dass der Nachschub für die Royalisten in der Vendée niemals angekommen war. Nadine und Catherine sprachen oft über die schreckliche Lage, mit der sich Michel Jacquelyn ständig auseinandersetzen musste, aber sie taten es hinter verschlossenen Türen, um Julianne nicht zu beunruhigen. Natürlich lauschte Julianne schamlos. Sie hatten so große Angst um Dominic.
In Cornwall war es eiskalt. Schneite es drüben in Frankreich vielleicht auch? Steckte Dominic womöglich auf einem zugefrorenen Schlachtfeld fest? Verbrachte er seine Nächte zitternd vor Kälte in einem Zelt oder war er als Spion in Nantes oder Paris und immer auf der Hut vor feindlichen Agenten? Warum schrieb er denn nicht!
„Julianne, ich denke, es ist Zeit für einen Ausflug“, unterbrach Lady Catherine Juliannes traurige Gedanken. „Wir werden nach Penzance fahren, um einzukaufen und etwas zu essen.“
Julianne riss den Kopf hoch. In letzter Zeit träumte sie beinahe ständig vor sich hin. Ihre Sorgen um Dominics Sicherheit lösten sich mit ihren Träumen von einer gemeinsamen Zukunft mit ihm und dem Kind ab. „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist“, begann sie schwach, doch plötzlich begann der Gedanke sie zu faszinieren. Sie hatte sich seit einer Ewigkeit hier im Haus versteckt. Es konnte nicht schaden, einmal herauszukommen.
Lady Catherine lächelte wissend. „Sie können sich nicht mehr länger vor der Gesellschaft verstecken, meine Liebe. Ich werde Sie schon beschützen.“
Tränen stiegen ihr in die Augen. Es war noch gar nicht lange her, da war Lady Catherine ihre Feindin gewesen. Doch nun war sie in nur einer Woche zu einer Freundin und Verbündeten geworden.
„Ich gehe rasch nach oben und ziehe mir etwas anderes an. Warum tun Sie das nicht auch? Es wird ein wunderbarer Ausflug, aber wir müssen uns warm anziehen. Ein wenig gesellschaftlicher Verkehr
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