Mit der Zeit
Erstes Kapitel
D
er Brief mit der Warnung traf am Montag ein, die Bombe selber am Mittwoch. Es wurde eine betriebsame Woche.
Die Warnung kam in einem gewöhnlichen Briefumschlag, der in New York aufgegeben worden war und keinen Absender trug. In dem Umschlag steckte eine zweimal gefaltete großformatige Ansichtskarte, wie man sie den Touristen heute an manchen Orten anbietet. Die Abbildung zeigte ein Hotel inmitten von Palmen, der kunstvollen Bildunterschrift zufolge das Hotel Mansour, Baghdad, Republic of Iraq . Auf der Rückseite war ein mit der Maschine beschriebener Papierstreifen aufgeklebt.
Sehr geehrter Mr. Halliday,
Mit der Post erhalten Sie dieser Tage ein Paket, das in gewöhnliches braunes Packpapier gewickelt ist. Damit es sich jedoch von anderen Paketen unterscheidet, die Sie möglicherweise im gleichen Zeitraum erhalten, ist es mit schwarzem Isolierband zugeklebt. Sollten Sie versuchen, dieses Paket selber aufzumachen, wären die Folgen für uns beide verhängnisvoll. Sie würden auf der Stelle tot sein, und ich würde jemanden verlieren, dessen Freundschaft und Mitarbeit ich schon bald zu gewinnen hoffe. Sie sollten mit dem Paket zum nächsten Sprengkommando der Polizei gehen und denen alles weitere überlassen. Leute, die ihr Handwerk gründlich beherrschen, sollten keine Schwierigkeiten damit haben.
Warum schicke ich eine Bombe an einen Mann, dessen Freundschaft ich suche und dessen Dienste ich brauche? Aus drei Gründen. Erstens will ich klarmachen, daß ich jemand bin, den man absolut ernst zu nehmen hat. Zweitens will ich meine persönliche Integrität demonstrieren. Und drittens will ich mit meiner unkonventionellen Kontaktaufnahme sicherstellen, daß Sie die Vorschläge, die man Ihnen später in meinem Namen machen wird, sorgfältig erwägen.
Ich unterschreibe mit einem Decknamen. Es ist ein Name, den ich in der Vergangenheit nur selten benutzt habe, aber doch oft genug, glaube ich, um ihm einen festen Platz in den Karteien aller Zeitungsarchive verschafft zu haben, an die Sie sich auf der Suche nach weiteren Informationen über mich höchstwahrscheinlich wenden werden. Sie werden nicht viel herausbekommen, aber das wenige sollte genügen, um Ihnen Appetit zu machen, Appetit auf eine vollkommene und größere Wahrheit und die Aussicht, süßere Dinge zu kosten.
Ihr ergebener KARLIS ZANDER
Eigentlich hatte er nicht unterschrieben, sondern den Namen mit einem Filzschreiber in Blockschrift hingeschrieben.
Wenn jemand mit dem Begriff »Ghostwriter« die Tätigkeit beschreibt, mit der ich mir derzeit den Lebensunterhalt verdiene, ärgert mich das immer; nicht etwa, weil ich es als Herabsetzung empfinde, sondern weil der Begriff ungenau ist. Von Zeit zu Zeit wünsche ich mir, er wäre es nicht. Wenn ich zum Beispiel die Korrekturfahnen einer meiner »Autobiographien« lese, nachdem der Kunde sie durchgesehen und seine – oder ihre – neuesten Gedanken und syntaktischen Eigenheiten hineingearbeitet hat. Dann kann einem der Zustand geisterhafter Anonymität, den einige meiner Kollegen genießen, höchst erstrebenswert vorkommen. Mein Name wird immer mit abgedruckt. Er steht hinter dem des angeblichen Autors und in kleineren Lettern. »Aufgezeichnet von Robert Halliday« oder »Im Zusammenwirken mit Robert Halliday« sind die üblichen Angaben; und sie stehen da nicht nur, um meinen Geltungsdrang zu befriedigen, sondern um die Tatsache festzuhalten, daß ich Miteigentümer des Copyrights bin. Sie können nebenbei auch für meine professionellen Dienste werben. Einige Verleger haben mir sogar mit aller Aufrichtigkeit versichert, mein Name auf einem Buch könne – als eine Art Garantie dafür, daß der Text nicht völlig unbrauchbar sei – die Verkaufszahlen der gebundenen Ausgabe und den Preis für die Taschenbuchrechte in die Höhe treiben. Ich selbst habe da meine Zweifel. Wenn die Bücher, mit denen ich zu tun habe, gewöhnlich gut gehen, dann liegt das meiner Ansicht nach daran, daß ich meine Leute sorgfältig auswähle. Leichte Non-Fiction scheint kurzlebig; da ich aber fast immer neben meinem Autorenhonorar auch einen Teil der Lizenzeinnahmen bekomme, bemühe ich mich um Leute, deren Geschichten wenigstens gewisse Aussichten haben, zum Dauerbrenner zu werden.
Auf Filmstars lasse ich mich nur ein, wenn sie eine sehr lange Karriere hinter sich haben, zur Zeit immer noch arbeiten und geistig und körperlich in so guter Verfassung sind, daß sie sich in Fernsehinterviews zu dem Buch
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