Die heißen Kuesse der Revolution
hatte ihre Hand gehalten, war so voller Zärtlichkeit für sie, doch das war alles Lüge.
Vielleicht würde es ihr besser gehen, wenn dieser hinterhältige Tory-Spion sie wenigstens geliebt hätte, statt sie nur für seine finsteren Zwecke auszunutzen.
Erwartete er wirklich von ihr, dass sie vergaß, wer er war?
Julianne stieg die Treppe hinab. Wenn sie wirklich wollte, konnte sie sich ganz einfach an ihm rächen. Dominic Paget, der in Paris unter der Tarnung eines unverdächtigen Druckereibesitzers namens Charles Maurice lebte, war ein Spion. Ihre Freunde in Paris wären entzückt, das zu erfahren.
Sie konnte Amelia und ihre Mutter im Salon hören. Amelia wusste von Dominic Paget nur, was unbedingt nötig war. Julianne hatte alles getan, um ihre wahren Gefühle vor ihrer Schwester zu verbergen. Am liebsten hätte sie sich jede Nacht in den Schlaf geweint, doch weil Amelia neben ihr lag, unterdrückte sie die Tränen. Julianne weinte nur, wenn sie allein im Hause war.
Zum Glück war auch Lucas wieder fort. Er hätte ihre bedrückte Stimmung und ihre Trauer gewiss bemerkt. Nicht dass sie ihm Rechenschaft schuldig wäre. Ihretwegen könnte er sie endlosen Verhören aussetzen, sie würde schweigen wie ein Stein. Sie war immer noch wütend auf ihn, weil er ihr die Wahrheit über den Fremden vorenthalten hatte. Aber trotz ihres Zorns machte sie sich auch Sorgen um ihn. Lucas war offenkundig in diesen Krieg verwickelt, und das passte ihr gar nicht. Ohne ihn konnte die Familie kaum überleben. Und sie liebte ihren Bruder, obwohl er sie hintergangen hatte.
Julianne stieg die letzten Stufen hinab. Erst jetzt fiel ihr auf, dass es draußen nieselte. Der Tag war genauso trübselig, wie sie sich fühlte.
Ob er jetzt schon in London war?
Julianne war wütend auf sich selbst, weil sie ständig an Dominic denken musste. Was war nur los mit ihr? Wenn er in London war, gab er gewiss gerade im Kriegsministerium zu Protokoll, was er in Frankreich herausgefunden hatte.
Amelia kam aus dem Salon, einen Finger an den Lippen. „Momma ist gerade eingeschlafen.“
Julianne lächelte sanft. „Es ist der ideale Tag für ein Nachmittagsschläfchen.“
„Aber es ist noch nicht einmal Mittag, Julianne.“
Julianne spürte, wie ihr das Lächeln aus dem Gesicht wich. Amelia griff ihre Hand. „Hilf mir bitte mit dem Mittagessen.“
Julianne ließ sich willenlos in die Küche führen. Sie erinnerte sich daran, wie sie Charles seine Mahlzeiten gebracht hatte und spürte einen Stich in ihrem Herzen. Es war einfach nicht auszuhalten.
Amelia reichte ihr eine Schüssel mit Stangenbohnen. Julianne sollte die Bohnen waschen und schnibbeln. Julianne beugte sich über das Waschbecken und goss Wasser in die Schüssel.
„Du siehst heute recht gut erholt aus“, sagte Amelia.
Julianne vermutete, dass sie für einige wenige Stunden geschlafen haben musste. „Ja.“
„Was hast du heute Nachmittag vor?“
„Lesen, nehme ich an.“
„Warum besuchst du nicht Tom einmal?“
Julianne goss das Wasser wieder ab und sah ihre Schwester an. Amelia hatte recht. Früher oder später würde Julianne Tom wieder unter die Augen treten müssen. Sie würde ihm zu gerne erzählen, was geschehen war. Tom würde natürlich sehr erzürnt sein, wenn er die Wahrheit erfuhr. Vermutlich würde er sofort nach Paris schreiben.
Julianne zögerte. Es war schließlich Krieg .
„Ich glaube, es würde dir richtig guttun, wenn ihr zwei mal wieder eure radikalen Reden schwingen würdet“, meinte Amelia.
Bevor Dominic Paget nach Greystone gekommen war, hatte Julianne viele politische Reden geschwungen. Inzwischen wusste sie auch, warum Charles, nein Dominic Paget, sich vor den Pariser Massen gefürchtet und den Jakobinern vorgeworfen hatte, sie würden die Menschen zu Gewalt aufstacheln. Sie wusste, warum er die Hinrichtung des Königs und die Säuberungen im Nationalkonvent für einen großen Fehler hielt und warum er die Flucht der Emigranten zu bedauern schien. Er hatte nur so getan, als sei er trotz allem für die Revolution. In Wahrheit war er ein Royalist .
„Julianne, wann reden wir denn endlich einmal über das, was passiert ist?“ Amelia betrachtete sie freundlich, aber besorgt.
„Da gibt es nicht viel zu sagen. Ich habe ihn für einen Helden gehalten. Aber Charles Maurice war nur seine Tarnung.“ Sie war selbst überrascht, wie ruhig und gefasst sie klang!
Amelia ergriff Juliannes Hände. „Ich weiß, wie sehr er dich betört hat. Und ich weiß,
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