Die Herren von Everon
eingehen, Doktor.“
„Nun – gut!“ Chavel machte sich daran, seinen Aktenkoffer wieder zu schließen, aber seine Hände waren unsicher, und er fummelte ungeschickt an den Verschlüssen herum. Als er es endlich geschafft hatte, nickte er allen ruckartig zu.
„Guten Abend …“
Er war gegangen, ehe der Widerhall seiner Stimme im Ohr verklungen war.
„Und jetzt gehen wir zurück zum Diner?“ erkundigte Martin sich bei Armage.
„Unbedingt“, antwortete der Konnetabel.
Armage verließ das Zimmer als erster. Hinter dem Rü cken des großen Mannes verhielt Martin den Schritt, um Jef zuzuzwinkern, dann folgte er ihm.
Jef wollte auch gehen, aber Mikey erzeugte tief in seiner Kehle ein kurzes, fragendes Brummen. Als Jef sich zurückwandte, sah er den Maolot mitten im Raum stehen und den Kopf blindlings suchend von Seite zu Seite wenden. Ein Zittern durchlief die massigen Schultern.
„Ist ja gut.“ Jef kehrte zu Mikey zurück und legte ihm die Hand auf den Kopf. „Ich gehe nicht. Ich bleibe hier bei dir.“
Dankbar stupste Mikey Jef mit seiner stumpfen Schnauze an und warf ihn beinahe über den Haufen. Jef setzte sich auf einen Sessel, und der Maolot ließ seinen Kopf auf ein Knie sinken.
„Sie werden mir ein Sandwich heraufschicken – hoffe ich“, bemerkte Jef.
Wie sich herausstellte, wurde ihm ein wenig mehr als nur ein Sandwich gebracht. Tibur fuhr einen mit Rädern versehenen Tisch mit dem gleichen Diner herein, das die anderen, die unten im Speisesaal waren, in etwa einer halben Stunde serviert bekommen würden.
Jef aß und fütterte Mikey mit dem Wisentfleisch, das Tibur für den Maolot besorgt hatte. Danach jedoch, als er dasaß und auf die schwachen Stimmen lauschte, die vom Erdgeschoß heraufklangen, merkte er, daß er wieder über die alten Probleme nachgrübelte. Von neuem war Martin zu seiner Rettung gekommen, diesmal mit einer zungenfertigen Erklärung, warum Mikey keine Spritze erhalten sollte.
Es war nicht so, daß Jef Martins Bemühungen nicht zu schätzen wußte. Sie waren nur zu häufig geworden, als daß ihm dabei noch ganz wohl zumute hätte sein können, und die unbeantwortete Frage, warum Martin sich so anstrengte, ertönte in Jefs Kopf immer lauter. Wenn der Grund dafür gut und ehrenhaft war, warum hatte Martin sich dann gescheut, ihn zu nennen, als Jef ihn gefragt hatte? Der stark empfundene Argwohn, daß mit Martin etwas ganz und gar nicht stimmte, war bei Jef schon seit geraumer Zeit immer heftiger geworden.
Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, mehr über den Mann herauszufinden! Jef stand auf und ging im Zimmer hin und her. Mikey hob den Kopf und folgte mit ihm dem Geräusch von Jefs Bewegungen.
„Ich komme gleich zurück“, sagte Jef nach ein paar Minuten zu dem Maolot. „Ich sehe nur hinter der nächsten Tür einmal nach.“
Er trat aus der Tür seines eigenen Zimmers, schloß sie hinter sich und ging zu der Tür von Martins Suite. Aber auch sie war, wie er erwartet hatte, fest verschlossen. Als er die Hand auf die Türfüllung legte und schob, öffnete die Tür sich nicht – aber sie bewegte sich ein wenig und gab ein klapperndes Geräusch von sich.
Jef nahm seine Hand weg und schob dann noch einmal. Wieder hörte er das Geräusch. Er versuchte mehrere Male, die Tür auf diese Weise zur Seite zu schieben, und stellte fest, daß nicht nur die Tür, sondern der Rahmen und die Tür zusammen sich leicht bewegten, wenn er schob. Eine kurze zusätzliche Untersuchung lieferte ihm den Grund. Trotz seines eindrucksvollen Kolonialstils war Armages Haus entweder hastig oder achtlos montiert worden. Die Tür stammte aus einem Raumfrachter. Aber sie war offensichtlich in der Wand des Korridors in einen Rahmen gesetzt worden, der ein klein wenig zu weit ausgeschnitten worden war.
Jef prüfte, wie groß der Spielraum war. Die Tür konnte beinahe hoch genug gehoben werden, daß die Verriegelung im unteren Teil des Rahmens freilag. Aber nicht ganz. Sie hielt gerade noch genügend fest, daß er aus Martins Räumen ausgeschlossen war. Jef stand da und starrte auf die Tür, und eine Sekunde lang wurde er sich der Unsinnigkeit seines Zorns über ein lebloses Objekt bewußt, das seine Versuche zunichte machte, sich ungesetzlich Eintritt zu verschaffen. Dann wurde der gesunde Menschenverstand beiseite gefegt. Er mußte hineingelangen – irgendwie.
Einen Halt an der Tür fand er nur mit den äußersten Enden seiner Fingerspitzen in der ganz schwach erhabenen Zierleiste, die auf
Weitere Kostenlose Bücher