Die Herren von Hermiston
M'Killop, fort mit diesem radikalen Gigot – bring's den Franzosen, Kerl, und hol mir ein paar Frösche. Es ist doch eine harte Sache, daß ich den ganzen Tag im Gerichtshof Radikale aufhängen muß und nachher zu Hause nicht mal was zu essen bekomme.« Natürlich war das nur eine Redensart; niemals in seinem Leben hatte er einen Mann seines Radikalismus wegen gehenkt, da das Gesetz, dessen treuer Diener er war, es anders bestimmte. Und ebenso natürlich war dieser knurrende Protest als eine Art Witz gedacht, aber es war ein versteckter Witz; und mit tönender Stimme vorgetragen und von jenem Ausdruck begleitet, den man im Parlamentshaus als »Hermistons Henkergesicht« bezeichnete, erfüllte er die Frau mit lähmender Bestürzung. Da saß sie ihm gegenüber, sprachlos und zitternd; bei jedem Gang hing ihr Blick, wie bei einer Feuerprobe, unsicher an Mylords Antlitz, nur um sich sogleich wieder zu senken. Aß er schweigend, so war unaussprechliche Erleichterung ihr Los, klagte er, versank die Welt in Finsternis. Dann pflegte sie die Köchin, die stets »ihre Schwester im Herrn« war, aufzusuchen. »Ach, Liebste, es ist ein schrecklich Ding, daßMylord niemals in seinem eigenen Hause zufriedengestellt werden kann«, so lautete der Anfang; und dann weinte sie und betete mit der Köchin; und dann betete die Köchin mit Mrs. Weir; und am folgenden Tage pflegte die Mahlzeit nicht um einen Penny besser zu sein – und die nächste Köchin war (wenn sie überhaupt erschien) womöglich noch schlechter, aber nicht minder fromm. Vielfach wunderte man sich, daß Lord Hermiston die Sache so ruhig nahm; in Wahrheit war er ein stoischer, alter Genüßling, zufrieden mit solidem Wein, und zwar in reichlichen Mengen. Dennoch gab es Momente, in denen ihm die Geduld riß. Vielleicht ein halbes dutzendmal in der Geschichte seiner Ehe brach er mit fürchterlicher Wut und ein paar knappen Gebärden in die Worte aus: »Hier, schaff das fort, und bring mir ein Stück Brot und Käse.« Niemand fiel es ein, zu protestieren oder sich zu entschuldigen; die Mahlzeit wurde abgebrochen; Mrs. Weir flennte unverhohlen am Kopfende der Tafel, während seine Lordschaft ihr gegenüber mir betonter Gleichgültigkeit sein Brot und seinen Käse kaute. Ein einziges Mal nur hatte Mrs. Weir hilfesuchend eine Bitte gewagt. Das geschah, als er auf dem Wege in sein Studierzimmer an ihrem Stuhl vorbeischritt.
»Ach, Adam«, jammerte sie mit einer Stimme, tragisch von vielen Tränen, und streckte ihm, in der einen Hand ein triefendes Taschentuch, beide Arme entgegen.
Er hielt mit zornigem Ausdruck inne; allmählich jedoch, während er sie musterte, stahl sich ein Funken von Humor in seinen Blick.
»Unsinn!« sagte er. »Du mit deinem Unsinn! Was nütztmir eine christliche Familie? Eine christliche Suppe will ich! Hol mir 'ne Dirn, die eine simple Kartoffel kochen kann, und wär's eine Hure von der Straße.« Und mit diesen Worten, die in ihren zarten Ohren wie Blasphemie widerhallten, war er an ihr vorüber in sein Zimmer geschritten und hatte die Tür hinter sich geschlossen.
So war die Hauswirtschaft in George Square. Besser war es damit auf Hermiston bestellt. Dort ruhten alle Lasten auf Kirstie Elliott, der Schwester eines kleinen Grundbesitzers aus der Nachbarschaft, die zugleich im achtzehnten Grade mit Mylady verwandt war und dort ein geordnetes Haus wie eine gute, ländliche Tafel führte. Kirstie war eine Frau unter tausend, sauber, tüchtig, bemerkenswert, ehemals eine Helena der Heide und noch immer ansehnlich schön wie ein rassiges Pferd und so gesund wie der Wind von den Bergen. Vollbusig, vollstimmig und vollblütig, führte sie mit ganzer, leidenschaftlicher Seele und viel Lärm, der nicht ohne heftige Zusammenstöße verlief, die Wirtschaft. Sie war kaum frömmer, als der Anstand der damaligen Zeit es verlangte, und bot Mrs. Weir daher Anlaß zu vielen sorgenvollen Bedenken und tränenreichen Gebeten. Haushälterin und Herrin erneuerten in ihrer Person die Rollen von Martha und Maria, und Maria stützte sich, wenn auch mit nagendem Gewissen, auf die Stärke Marthas wie auf einen Fels. Selbst Lord Hermiston brachte Kirstie besondere Hochachtung entgegen. Wenigen Menschen gegenüber zeigte er sich so leutselig, wenige beehrte er mit so zahlreichen Scherzen. »Kirstie und ich müssen unseren Spaß haben«, erklärte er in glänzender Laune, während er Kirstiesfrische Haferkuchen mit Butter bestrich und Kirstie ihm bei Tisch aufwartete. Für
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