Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
würde mich am liebsten auf dem Boden ausstrecken und nur noch schlafen. Aber sieh dir diese Wolken an. Das muss der Rauch von Drachenschmiede sein. Ich habe gehört, dass der Himmel dort bei Sonnenuntergang immer diese Farbe hat. Wir sind ganz nah.«
»Terpin ist schuld, dass wir keine Pferde haben«, grummelte Hemming.
Shay seufzte, als der andere schon wieder damit anfing.
»Oh, Herr«, stöhnte Terpin und riss die Hände hoch.
»Wenn ihr auf mich gehört hättet, wären wir bereits da«, sagte Hemming.
Das mochte wohl stimmen, aber Shay glaubte nicht, dass es wirklich von Bedeutung war. Sie waren mit zwei Pferden aufgebrochen, von denen Hemming und er sich eins geteilt hatten. An ihrem ersten Tag auf ihrer Flucht hatten sie die Tiere zu sehr beansprucht. Terpin hatte ihnen versichert, dass sie noch eine weitere Meile gehen könnten, und dann noch eine weitere. Er hatte die Pferde sogar mit Ästen geschlagen, um sie weiterzutreiben. Nachdem die Tiere einige Stunden derart hart behandelt worden waren, war das, auf dem sie zu zweit geritten waren, an Herzversagen gestorben. Am nächsten Tag hatten sie sich mit dem letzten Pferd abgewechselt, und als Terpin gerade eine Schlucht hinuntergeritten war, war das Pferd gestolpert und hatte sich ein Bein gebrochen. Shay wusste, sie hatten bedeutende Fehler gemacht, aber welchen Sinn hatte es, jetzt darauf herumzureiten, wenn sie der Freiheit so nahe waren?
»Was vorbei ist, ist vorbei«, sagte Shay. »Wir alle frieren und haben Hunger. In Drachenschmiede wird es Feuerstellen geben und etwas zu essen, um unsere Bäuche zu füllen, und es würde mich nicht überraschen, wenn sie dort sogar Whiskey hätten. Dafür lohnt es sich, noch eine Stunde weiterzugehen, selbst in der Dunkelheit.«
»Von Whiskey kriege ich Sodbrennen«, grummelte Hemming. »Und glaubst du wirklich, die geben uns einfach so was zu essen? Glaubst du, sie nehmen drei entflohene Sklaven mit offenen Armen auf?«
»Dort haben sie eine Rebellion gestartet. Sie brauchen Soldaten und Arbeiter und Köche und Leute mit anderen Fähigkeiten. Fähigkeiten, mit denen wir durchaus aufwarten können«,
sagte Shay. »Sie werden uns versorgen. Ganz besonders, wenn sie sehen, was ich bei mir habe.«
Er klopfte gegen die Ledertasche, die er sich über die Schulter gehängt hatte. Eine schwere Last, die er den ganzen Weg mitgeschleppt hatte, aber ihr Inhalt war für ihn das Kostbarste der Welt. Er klammerte sich an die Überzeugung, dass Drachenschmiede sie ebenso sicher mit dem gleichen Wohlwollen empfangen würde, wie die Morgendämmerung der Nacht folgte. Hemming allerdings wirkte weniger überzeugt.
»Ihr jungen Leute haltet euch für unsterblich«, sagte der ältere Mann. »Aber wenn wir hier draußen in der Dunkelheit mit tauben Füßen herumstolpern, werden wir uns nur die Beine brechen. Hast du das Pferd etwa schon vergessen? Erinnerst du dich nicht mehr daran, wie der Knochen durch das Fell gedrungen und das Blut in einer Fontäne rausgespritzt ist?«
Shay erinnerte sich sehr gut daran. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, konnte er es sehen. Das war auch der Grund, warum er sich noch immer an einem Baum festhielt, statt hinunter in den Kies zu springen.
Vielleicht spürte Hemming Shays Angst. »Niemand von uns kann noch irgendwas in dieser Dunkelheit sehen«, sprach er weiter. »Im Gegensatz zu den Sklavenjägern. Sie werden uns finden, wenn wir irgendwo mit gebrochenen Beinen liegen. Diese Miststücke haben Augen wie die Katzen.«
»Unsere Ohren sind mindestens genauso scharf«, ertönte eine Stimme über ihnen.
Shay sah hoch, und das Herz schlug ihm bis zum Hals. Zwischen den knorrigen Ästen einer hohen Kiefer glühte ein Paar goldener Augen im Licht der letzten Sonnenstrahlen. Die blauen Flügel eines Himmelsdrachen entfalteten sich vor dem dunklen Himmel, als er sich erhob und zum Kiesbett hinunterglitt. Er landete zehn Fuß neben Hemming. Der alte Mann
zitterte, und er stieß einen schrillen Schrei aus, ein Geräusch, wie es ein Kaninchen von sich geben mochte, das sich in den Fängen eines Jagdhundes befand.
Die Sklavenjäger suchten Chapelion häufig in dessen Gemächern auf, und Shay erkannte diesen hier. Es war Galath, ein ziemlich junges und unerfahrenes Mitglied der Zunft. Vielleicht hatten sie doch noch eine Chance. Seine Hoffnung verblasste allerdings, als ein zweiter Himmelsdrache zu Galath hinunterschwebte – Enozan, ein sehr viel älterer und erfahrenerer Sklavendrache. Dennoch
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