Die Himmelsbraut
bist du von allen guten Geistern verlassen? Dich solchermaßen mit den Franziskanern anzulegen?»
Markwart von Holdersteins Stimme donnerte so laut durch die kleine Stube, dass sich das schwarz-weiße Schoßhündchen seiner Gemahlin unter der Kommode verkroch. Aufgebracht marschierte er hin und her.
«Dazu ist das Ganze höchst beschämend. Hast du vergessen, dass der Klostervorsteher ein Oheim deiner Mutter ist?»
«Nein, das habe ich nicht, Vater. Aber es ist auch nicht meine Schuld, wenn er einen solch unfähigen Mann auf die Schüler loslässt. Das ist – das ist, als ob unser alter Burgkaplan uns Knaben hätte das Reiten beibringen sollen.»
Phillip bemerkte, wie sein Vater sich auf die Lippen biss, als ob er ein Grinsen unterdrückte. Seine Wut schien verraucht.
«Was also willst du künftig tun? Unter dem Lindenbaum sitzen und Däumchen drehen?»
«Nein, Vater. Ich helfe Euch in den Weinbergen, bei der Heuernte, beim Holzrücken im Wald – was immer Ihr wollt.»
Der Ritter schüttelte den Kopf.
«Hör zu, mein Junge. Du bist fünfzehn Jahre alt, allerhöchste Zeit also, als Knappe und Kammerjunker zu gehen. Wir werden damit nicht bis zum Herbst warten.»
Phillip sah seinen Vater entgeistert an. Damit hatte er nicht gerechnet.
«Ihr meint – jetzt gleich?»
«So bald wie möglich. Ich denke, es wird nicht allzu schwer sein, dich anständig unterzubringen. Ein Dummkopf bist du ja nicht.»
«Dann lasst mich wenigstens auf Burg Hohengeroldseck.»
Markwart von Holderstein ließ seinen massigen Körper auf den Stuhl sinken und fuhr sich durch das dunkle Barthaar. «Ich weiß wohl, dass du in der Nähe bleiben möchtest. Aber Gangolf von Geroldseck hat sein Angebot zurückgezogen.»
«Warum?»
«Weil dein Bruder sich diesem Katzbalger und Haudegen angeschlossen hat. Der Raueneck hatte im Winter Konrad von Waldstein angegriffen, einen der Geroldsecker Dienstmannen, und dessen Wasserburg im Schuttertal ums Haar geplündert.»
«Dann wisst Ihr also von Wighart und Raueneck?»
«Ja. Und du kannst mir glauben, dass mich Wigharts Entscheidung mehr bekümmert als dein schmählicher Abgang bei den Franziskanern. Das macht unsere Stellung hier in der Ortenau nicht eben leichter.»
Phillip unterdrückte einen Seufzer. Wie er seinen Vater kannte, hatte der längst jemanden für ihn im Auge.
«Was schlagt Ihr also vor?», stieß er schließlich hervor.
«Ich denke da an den Grafenhof Neu-Eberstein. Ritter Wendel von Rothenbach, der Oberstallmeister und Leibwächter des alten Grafen Bernhard, hätte nichts dagegen, dich aufzunehmen. Doch noch ist nichts beschlossen.»
Phillips Hände ballten sich zu Fäusten. Die Burg Neu-Eberstein lag gut zwei Tagesritte von hier entfernt!
«Noch vor Pfingsten werden wir beide die Ebersteiner aufsuchen», fuhr sein Vater fort. «Und nun geh hinüber zu deiner kranken Mutter und berichte ihr, was wir besprochen haben. Wir sehen uns dann beim Abendessen.»
4 Unterthann, zu Pfingsten 1520
W ir brauchen keine römische Messe! Wir wollen das Wort Gottes in unsrer eigenen Sprache hören!»
Der Müllersohn, ein kräftiger, untersetzter Kerl, baute sich vor Pfarrer Johans auf, der eben die Einsetzungsworte der Eucharistiefeier zu Ende gesprochen hatte.
«Gottes Wort ist für alle da!», brüllte ein anderer, den Antonia nicht kannte. «Auch für uns Bauern, denen der Schnabel nicht auf Lateinisch gewachsen ist!»
«So soll’s sein!» Das war Sebald, der Taglöhner. «Auf dass der Heilige Geist in Deutsch auf uns niederkomme!»
Unter den Kirchgängern war Unruhe ausgebrochen. Zwanzig, dreißig Männer drängten nun vor den Altar, allen voran der Müllersohn Endres und der Taglöhner Sebald, und zeterten lauthals gegen die unfrömmig heruntergeschnurrten Gottesdienste der Pfaffen im Land, die dazu noch für jede heilige Handlung ihren Schäfchen das Geld aus dem Beutel zogen.
Antonias Blick ging zu Magdalena, die entsetzt die Augen aufgerissen hatte, dann hinauf zur Empore, wo Phillip mit aufmerksamer Miene das Ganze verfolgte. Es war nicht das erste Mal, dass ungebührliche Zwischenrufe die Heilige Messe störten. Seit einiger Zeit empörten sich immer mehr Bauern und Handwerksleute gegen ihren Pfarrer. Zum heutigen Pfingstfest allerdings fanden sich unter den Aufwieglern erstmals etliche, die Antonia nicht kannte und die von weit her gekommen sein mussten.
Die beiden Ministranten hielten in ihren Verrichtungen inne und starrten hilflos auf den Dorfpfarrer. Der begann zu
Weitere Kostenlose Bücher