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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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keifen, mit hochrotem Kopf.
    «Hinweg mit euch!» So kräftig der kleine, dicke Mann nur konnte, schlug er gegen Sebalds Schultern. «Hinweg mit euch gottlosem Volk!»
    «Wer ist hier gottlos, hochwürdiger Herr Pfarrer?», schrie Endres zurück. «Wo deine Magd doch jede Nacht die Beine für dich breitmacht!»
    Endlich eilte der Messner zu Hilfe. Mit einem Besen bewaffnet ging er gegen die Männer an. Die Ministranten lösten sich aus ihrer Starre und schubsten und stießen ebenfalls, einige Hunde fingen zu kläffen an, Kinder zu krakeelen, Weiber zu schreien, und endlich tauchten in diesem vollendeten Durcheinander zwei von Holdersteins Dienstleuten auf. Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, die Aufrührer durch das Kirchenportal nach draußen zu drängen.
    Dorfpfarrer Johans wischte sich den Schweiß von der Stirn, bekreuzigte sich und straffte die Schultern:
    «Pater noster qui es in cælis …»
    «… sanctificetur Nomen Tuum, adveniat Regnum Tuum …»
, fielen die Gläubigen in das Gebet ein und sanken auf die Knie. Ohne weitere Unterbrechungen vermochte Pfarrer Johans die Kommunion zu spenden und das Hochamt zu Ende zu bringen. Mit der Mahnung, künftig die Hunde und Ziegen daheim zu lassen, zumindest an den Hochfesten des Herrn, entließ er seine Gemeinde.
    «Das war nicht recht von den Männern», sagte Magdalena, während sie hinausgingen. Ihre zarten Hände umschlossen den Rosenkranz, als ob sie daran Halt suchten. «Es ist nicht recht, solcherart gegen einen geweihten Priester zu gehen. Der Herr möge ihnen verzeihen.»
    Antonia zuckte die Schultern. «Wenn sie den Sinn der Worte doch nicht verstehen.»
    «Mag sein, dass sie des Lateinischen nicht mächtig sind. Und doch können sie den feierlichen Worten und Klängen mit Andacht lauschen.»
    Sie hatten den Vorplatz erreicht, wo sich die Menschen in kleinen Gruppen sammelten und sich über den Vorfall die Köpfe heißredeten. Zum Pfingstfest hatten sich die Kirchgänger feierlich herausgeputzt: die Männer ganz in Schwarz, mit breitkrempigen Filzhüten, die Frauen mit vor der Brust gekreuzten bunten Schultertüchern über dem schwarzen Gewand. Wer unter den Ehefrauen von besserem Stand war, trug stolz eine rotsamtene, golddurchwirkte Haube.
    Antonia sah sich nach Phillip um. Vielleicht blieb ihnen ja noch ein wenig Zeit, bevor er zurück auf die Burg musste.
    Das Kammerfräulein schien es zu bemerken. «Du weißt hoffentlich noch, dass wir heute Besuch bekommen.»
    «Wegen mir kommt dieser Landschreiber aus Oberkirch gewiss nicht zu uns heraus», gab Antonia schnippisch zurück. Dabei betrachtete sie ihre Schwester. Mit ihren fast sechzehn Jahren sollte Magdalena eigentlich in dem Alter sein, wo sich der Körper eines Mädchens zu formen begann. Indessen tat sich nichts bei ihr, im Gegenteil: Sie wurde immer noch zarter und zerbrechlicher.
    Seit Ostern war es mit Magdalenas Frommherzigkeit noch ärger geworden. Kurz nach ihrem Ohnmachtsanfall in der Küche hatte sie zu Antonia erstmals von Jesus Christus als ihrem Bräutigam gesprochen, hatte damit begonnen, sich stundenlang vor dem Kruzifix ihrer Schlafkammer auf den kalten Boden zu knien und sich in die Leiden des Herrn zu versenken. Manchmal hatte Antonia regelrecht Angst um ihre Schwester. Ihr war, als hätte Magdalena keinen größeren Wusch, als die Welt und alles Irdische zu verlassen.
    In diesem Augenblick schob sich Phillip durch die Reihen der Kirchgänger und riss sie aus ihren Gedanken.
    «Wollen wir einen Spaziergang machen? In die Weinberge?», fragte er. Sein Gesicht war blass.
    «Gern.» Antonia blickte hinüber zu ihrem Vater, der mit dem Dorfschultes ins Gespräch vertieft war.
    «Dein Vater erlaubt es, ich hab ihn schon gefragt.»
    Ohne sich weiter um die verdrießliche Miene des Kammerfräuleins zu kümmern, machte sich Antonia mit Phillip auf den Weg hinauf zum Weinberg, an dessen Flanke das Dorf lag. Phillip trottete ungewöhnlich schweigsam neben ihr her, und sie ahnte, dass ihn etwas bedrückte. Nachdem sie die sonnige kleine Wiese oberhalb der Rebstöcke erreicht hatten, wischte sie sich den Schweiß von der Stirn.
    «Es wird Sommer», sagte sie. Von hier war es nur ein Steinwurf zur Burg, die sich auf dem Bergsporn nebenan erhob. Sie ließen sich ins Gras sinken. Der leichte Wind trug die Stimmen der Dorfbewohner fort von ihnen, nicht einmal ein Blätterrascheln war hier oben zu hören.
    «Sieh mal!» Antonia deutete auf den Bergfried, wo in einer Lücke zwischen den

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