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Die Himmelsmalerin

Die Himmelsmalerin

Titel: Die Himmelsmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Rosenberger
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seiner Muttersprache ins Ohr. Der Hengst reagierte empfindlich auf Lärm und neue Orte. Bonne, das Packpferd, das Lionels Werkzeug und seine Farben trug, konnte ein solcher Vorfall nicht erschüttern. Ihre braunen Augen betrachteten den Burgunder mit unerschütterlicher Gelassenheit. Sie würde warten und mit ihm gehen, wo auch immer er hinwollte.
    »Meine Brave«, lobte er sie.
    Inzwischen hatte sich der Lehrling weitere Maulschellen eingefangen und hielt sich die Wange, während der Fuhrmann selbst die Zügel übernommen hatte. Und noch immer ging nichts voran.
    »Was ist hier los?«, fragte Lionel den Fuhrmann.
    »Reiter.« Gottergeben deutete er auf das Brückentor, das vor der Menschenmenge dunkel in den bleiblauen Himmel ragte. Lionel ließ die Führstricke der zwei Pferde einen Moment hängen, trat aus der Reihe und spähte vom Brückengeländer aus nach vorne. Eine Gruppe Berittener drängte sich vor dem Tor. Ihr Anführer disputierte mit den Stadtwächtern und wedelte dabei heftig mit den Armen. Endlich entschied sich die Sache. Die Wächter gewährten der Gruppe keinen Einlass in die Stadt. Daraufhin saßen die Bewaffneten wie ein Mann auf und drehten um. Lionel schüttelte den Kopf. Trotz der Menschenmenge galoppierten sie mitten auf der Brücke an. Sie waren sichtlich wütend, Kriegsknechte eben. Er wusste, warum er mit diesem Pack nichts zu tun haben wollte.
    Die Ritter bahnten sich rücksichtslos eine Gasse durch die Menschenmenge. Auf ihren Waffenröcken breitete der Adler des Königs besitzergreifend seine Flügel aus. Dann waren sie da, schneller, als Lionel sich umdrehen und seine Pferde festhalten konnte.
    »Merde!«, rief er.
    Donnernd schlugen die Hufe auf den Steinboden.
    »Aus dem Weg!«, schrie der Anführer, ein bärtiger Schwarzhaariger, und setzte mit seinem Schlachtross über einen alten Mann hinweg, der sich gerade noch rechtzeitig ducken konnte.
    Menschen stoben an die Seite, ein Bettler landete im Staub, ein eisengepanzerter Huf traf eine Frau an der Schulter, die schreiend zu Boden fiel. Mit einem Satz war Lionel bei seinen Pferden und fiel Étoile in den Zügel, der mit seinen dunklen Augen rollte. Es hatte keinen Sinn, wenn der Weiße zu allem Überfluss noch stieg und weitere Menschen verletzte. Nachdem sich das Pferd beruhigt hatte, half Lionel der Frau auf die Füße.
    »Ich danke Euch, edler Ritter«, sagte sie würdevoll und wischte sich den Brückenstaub vom Gewand. »So sind sie eben, die Herren.«
    Er nickte, froh, dass die Frau sich irrte, weil er weder ein Ritter noch ein Herr war. Er war nichts weiter als ein freier Mann.
    Der Spuk war jedenfalls vorbei, die Krieger hatten die Brücke verlassen, und der Trichter begann, sich mit stetem Gleichmaß zu leeren. Zuletzt verschwand das Ochsenfuhrwerk mit den Kornsäcken im Tor. Schließlich stand Lionel davor und betrachtete den Adler, das Wappen der freien Stadt, der jenem auf den Waffenröcken der Ritter zum Verwechseln ähnlich sah.
    Esslingen war eine dieser Städte, die sich nicht auf die Willkür des Fürsten aus dem Umland verlassen wollten, sondern stattdessen auf den König bauten. Oft wurde ihnen das als Hochmut ausgelegt, der zu dauernden Querelen mit dem Landesherrn, dem Grafen von Württemberg, führte. Aber diese Stadt hat es gut getroffen und die Württemberger 1312 im Reichskrieg Kaiser Heinrichs VII. sogar besiegt.
    Einen Augenblick später war es so weit. Auch Lionel und seine Pferde wurden in die Dunkelheit des Brückenturms gezogen. Schlagartig wurde es kühl und still, eine Wohltat nach der Hitze und dem Chaos draußen. Die Pferde fanden das anscheinend nicht. Bonne wieherte leise, und Étoile tänzelte nervös.
    »Schhh«, machte Lionel.
    Die Stadtwachen saßen rund um einen Tisch, eine Partie Würfel zwischen sich, Humpen mit Wein vor sich. Lionel wurde bewusst, dass er seit dem Morgen nichts getrunken hatte.
    »Durchreise oder längerer Aufenthalt?«, fragte der Oberste, der den Adler auf dem Brustharnisch trug.
    Lionel holte den Brief aus dem Hemd, der seinen Auftrag dokumentierte.
    »Ich bleibe, für’s Erste jedenfalls«, antwortete er und überreichte das Schreiben des Priors. »Mein Name ist Lionel Jourdain, Glasmaler aus Straßburg.«
    Wo er sonst überall herumgekommen war, Paris, Venedig, Burgund, Toulouse, Granada und Rom, immer auf der Suche nach Freiheit, das ging den Mann nichts an.
    Man konnte dem Wächter nicht nachsagen, dass er ungenau arbeitete. Ausführlich betrachtete er den Brief,

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