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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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blickte Arri an, und Arri ihrerseits stand frierend und mit klopfendem Herzen da und sah ihre Mutter an, und etwas sehr Seltsames geschah. Abgesehen von ihr selbst war ihre Mutter der wohl hässlichste Mensch, den Arri kannte. Alle sagten das, und es stimmte auch, denn nichts an ihrem Köper war irgendwie richtig. Sie war nicht etwa verkrüppelt oder von Narben entstellt, aber ihre Haut war zu hell, ihr Gesicht zu schmal, und sie hatte Haare in einer Farbe, wie sie außer Arri kein anderer Mensch auf der Welt hatte und die sie jetzt, im blassen Licht der Sterne und der kaum fingerbreiten Mondsichel, an die Farbe ihres Zauberschwertes erinnerte.
    Wie Arri selbst war auch ihre Mutter viel zu dünn. Je nach dem, wie sie sich bewegte, konnte man die Rippen unter ihrer Haut erkennen, was bei den anderen Menschen im Dorf höchstens der Fall war, wenn sich der Winter dem Ende entgegenneigte; zweifellos eine Folge ihres sinnlosen Beharrens darauf, niemals genug zu essen und sogar streng darauf zu achten, keinen Speck anzusetzen. Aber das war es nicht allein. Ihre Arme waren zu kurz, die Schultern zu schmal und ihre Körpermitte viel zu dünn - ein wirklich großer Mann, wie der Fischer Rahn etwa, hätte sie vermutlich mit beiden Händen umfassen können (wenn auch Arri nicht daran zweifelte, dass er hinterher keine Hände mehr gehabt hätte, sollte er es je versuchen). Dafür waren ihre Beine geradezu aberwitzig lang. Von den viel zu schmalen Hüften bis zum Boden beanspruchten sie nahezu die Hälfte ihrer gesamten Erscheinung. So wie auch an Arri war alles an ihr im Verhältnis zueinander irgendwie falsch und abstoßend, und doch kam sie ihr in diesem Moment, und vielleicht zum allerersten Mal in ihrem Leben, unglaublich schön vor.
    Vielleicht war es das silberfarbene Licht, das ihrer sonderbaren Figur schmeichelte, vielleicht war es der Aufruhr, der noch immer in Arris Gedanken herrschte, doch aus welchem Grund auch immer -mit einem Male wusste sie, dass das, was sie sah, richtig war, und alles andere falsch. Trotz der schrecklichen Magerkeit, der viel zu bleichen, viel zu glatten Haut, des schmalen Gesichts mit den sonderbaren Augen und den zu dünnen Lippen, hatte Arri plötzlich das Gefühl, niemals einen schöneren Menschen gesehen zu haben, niemals einen Menschen, der richtiger war, und niemals einen Menschen, dessen Gestalt mehr Kraft und Energie ausstrahlte, selbst jetzt, wo sie ganz ruhig und in entspannter Haltung vor ihr stand.
    Der Augenblick verging so schnell, wie er gekommen war, aber er ließ etwas zurück. Sie konnte das Gefühl nicht in Worte kleiden, ganz einfach, weil es in ihrer Sprache kein Wort dafür gab; es war, als hätte Arri zeit ihres Lebens eine schmerzende Wunde mit sich herumgetragen, die noch immer da war und noch immer schmerzte, nun aber endlich zu heilen begann.
    »Und was. was tun wir jetzt hier?«, fragte sie schüchtern, als ihre Mutter auch nach einer geraumen Weile keine Anstalten machte, irgendetwas zu sagen oder ihr gar eine Erklärung für diesen nächtlichen Ausflug zu liefern.
    »Wir reden über deinen Traum«, antwortete ihre Mutter mit sonderbarer Betonung und einem angedeuteten, noch sonderbareren Lächeln. »Aber nicht jetzt. Uns bleibt nicht sehr viel Zeit. Wir müssen zurück sein, bevor es hell wird und die anderen aufwachen.«
    »Aha«, sagte Arri. Sie verstand kein Wort.
    Das Lächeln ihrer Mutter wurde noch eine Spur wärmer. Einen kurzen Moment lang sah sie Arri noch auf dieselbe, irritierende Weise an, dann ging sie mit wenigen Schritten zum Waldrand, und noch einmal - wenn auch nur für einen Augenblick - kehrte das sonderbare Gefühl zurück, als Arri auffiel, wie anmutig und mühelos ihre Bewegungen wirkten. Sie schien vollkommen lautlos über den mit Gras und dem ersten, trockenen Laub des bevorstehenden Herbstes bedeckten Boden der Lichtung zu gleiten, und sich dann einfach aufzulösen, als ihre Gestalt mit den Schatten des Waldrandes verschmolz.
    Etwas raschelte, dann ertönte ein helles, trockenes Knacken, und als ihre Mutter zurückkam, hielt sie einen armlangen und doppelt daumendicken Ast in der Hand, den sie von einem Baum abgebrochen hatte. Während sie sich Arri näherte, befreite ihn Lea sorgsam von Blättern und dünneren Zweigen, wog ihn schließlich prüfend in der Hand und warf ihn ihr dann mit einer so überraschenden Bewegung zu, dass sie ihn nur noch im allerletzten Moment auffangen konnte. Arri stellte sich alles andere als geschickt dabei an

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