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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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mich nicht. Denn nie bin ich deiner satt geworden, nie werde ich genug von dir haben ...« Und abermals: »So groß ist deine Süße, so herrlich deine Beständigkeit, so unbeschreiblich der Ton deiner Stimme, so wunderbar deine Schönheit und die sie krönende Anmut, dass es eine grobe Unhöflichkeit wäre, auch nur zu versuchen, sie in Worten auszudrücken. Möge das Feuer, das uns verzehrt, immerfort wachsen und neue Nahrung finden und, je mehr davon verborgen bleibt, desto mehr um sich greifen und die Neidischen wie die Eifersüchtigen täuschen, so dass es stets zweifelhaft bleibt, wer von uns beiden mehr liebt, und sich zwischen uns unablässig ein wunderschöner Wettstreit abspielt, in dem beide siegen ...«
    Keine Frage, es waren schöne Briefe, und wenn er sie am Ende noch einmal durchlas, zitterte Baudolino und verliebte sich immer mehr in eine Kreatur, die ihm so glühende Worte einzugeben vermochte. Weshalb er es mit der Zeit immer unerträglicher fand, nicht zu wissen, wie Beatrix auf diese sanfte Gewalt reagiert hätte, und beschloss, sie eine Antwort geben zu lassen. Also schrieb er, wobei er ihre Schrift zu imitieren versuchte:
    »In der Liebe, die mir aus dem innersten Herzen quillt und duftender aufsteigt als jedes andere Aroma, wünscht die, die dein ist mit Leib und Seele, den dürstenden Blumen deiner Jugend die Frische ewigen Glückes ... Dir, meine freudige Hoffnung, biete ich meinen Glauben an, und mit aller Ergebenheit auch mich selbst, solange ich lebe ...«
    »O bleib mir gewogen« , antwortete er sogleich, »denn in dir liegt mein Wohlergehen beschlossen, in dir liegt meine Hoffnung und meine Ruhe. Ich bin morgens noch kaum richtig aufgewacht, schon hat meine Seele dich wiedergefunden, wohlbehütet in ihrem eigenen Innern ...«
    Darauf sie hemmungslos: »Seit jenem Augenblick, da wir uns zum ersten Mal sahen, habe ich nur dich bevorzugt, und dich bevorzugend habe ich dich gewollt, dich wollend habe ich dich gesucht, dich suchend habe ich dich gefunden, dich findend habe ich dich geliebt, dich liebend habe ich dich begehrt, dich begehrend habe ich dich in meinem Herzen über alles gestellt ... und habe von deinem Honig gekostet ... Ich grüße dich, mein Herz, mein Alles, meine einzige Freude ...«
    Diese Korrespondenz, die sich über einige Monate hinzog, spendete Baudolinos erhitztem Gemüt zunächst eine gewisse Kühlung, dann eine große Freude und schließlich eine Art flammenden Stolz, da der Liebende sich nicht erklären konnte, wieso die Geliebte ihn derart glühend liebte. Wie alle Verliebten wurde Baudolino prahlerisch, wie alle Verliebten schrieb er, eifersüchtig wolle er ganz allein mit der Geliebten ihrer beider Geheimnis genießen, aber zugleich wolle er, dass alle Welt auf dem Laufenden über ihr Glück sei und die überströmende Liebenswürdigkeit seiner Geliebten bestaune.
    So blieb es nicht aus, dass er den Briefwechsel eines Tages seinen Freunden zeigte. Er äußerte sich nur sehr vage und zurückhaltend über das Wie und Woher. Er log nicht, im Gegenteil, er sagte, er zeige ihnen die Briefe gerade weil sie ein Produkt seiner Phantasie seien. Aber die beiden hielten gerade dies für eine Lüge und beneideten ihn sehr um sein Glück. Abdul las die Briefe, als wären sie von seiner Prinzessin, und erregte sich mächtig, als hätte er sie erhalten. Der Poet, der sich nach außen hin betont desinteressiert an diesem literarischen Spiel zeigte (wobei er jedoch vor Neid verging, weil nicht er diese schönen Briefe geschrieben und dadurch noch schönere provoziert hatte), verliebte sich in Ermangelung einer Person zum Verlieben in die Briefe selbst – was nicht verwunderlich sei, kommentierte Niketas lächelnd, denn in der Jugend sei man geneigt, sich in die Liebe an sich zu verlieben.
    Vielleicht um neue Motive für seine Lieder aus ihnen zu ziehen, machte sich Abdul gewissenhafte Kopien der Briefe, um sie nachts in Sankt Viktor zu lesen. Bis er eines Tages entdeckte, dass jemand ihm die Kopien entwendet hatte, und schon fürchtete, irgendein ausschweifender Kanonikus habe sie, nachdem er sich lüstern an ihnen gütlich getan, zwischen die tausend Handschriften der Abtei geworfen. Schaudernd verschloss Baudolino seine Briefsammlung in der Truhe, und seit jenem Tage schrieb er keine Zeile mehr, um die Empfängerin nicht zu kompromittieren.
     
    Da er jedoch seinen Gemütsaufwallungen eines Achtzehnjährigen irgendwie Ausdruck verschaffen musste, begann er nun Gedichte zu

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