Die Hochzeit meiner besten Freundin
zu verlassen, als ich mich aufgemacht habe zur anderen Seite der Welt – jetzt erwartet sie mich wer weiß wie viele Meter weiter unten. Schon seltsam. Ich habe sie seit fast zwei Jahren nicht gesehen, und jetzt werde ich sie in genau... ich blicke auf die Uhr... zwanzig Minuten wiedertreffen, wenn der Zoll und die Gepäckausgabe mitspielen. Uber mein gegenwärtiges Transportmittel kann ich wahrhaftig nicht klagen. Nach einigen der Orte, an denen ich mich in letzter Zeit aufgehalten habe, ist dieses Flugzeug das Hilton.
Ins Hilton würde ich allerdings so nicht kommen, mit diesen abgeschnittenen, ausgefransten und von der Sonne völlig ausgebleichten Jeans, den total zerfetzten Turnschuhen und dem verblichenen, taschentuchgroßen Stück Stoff, das vorgibt, ein Top zu sein.
Nach dem empörten Gesichtsausdruck der Stewardessen zu schließen muss ich froh sein, dass man mich überhaupt an Bord gelassen hat. Aber was erwarten die denn von jemandem, der zwanzig Monate lang quer durch Thailand, Neuseeland und Australien getourt ist, und das mit nichts als dem Notwendigsten des Notwendigen im Rucksack?
Dabei kann ich gar nicht so schlecht aussehen. Der Typ auf der anderen Gangseite mit dem ansprechenden Profil und den noch ansprechenderen Beinen lässt seinen Blick schon wieder herüberschweifen.
Wir bewundern wohl gegenseitig unsere Beine.
Klammheimlich werfe ich einen Blick zurück.
Er ist viel dreister als ich. Er ertappt mich, sieht mir in die Augen und zwinkert mir auffällig zu. Sein Gesicht sieht von vorn sogar noch besser aus als von der Seite. Männlich, sonnengebräunt, mit einem angedeuteten Bartschatten, der ihm gut steht und mehr an einen süßen Macho erinnert als an einen protzigen, angeberischen Popstar.
Wie er wohl heißt?
Ich finde, er muss einen markanten Namen haben, der zu dem markanten Gesicht passt, etwas Kurzes, aber Freches wie Sam nein, das klingt bisexuell. Rex? Nein, das ist ein Hundename. Adam? Genau, Adam passt zu ihm; sehr urtümlich. Adam, der erste Mann. Nun, das wäre er nicht so ganz, soweit es mich betrifft… obwohl es mir gelungen ist, den Fernen Osten ohne Zusammenstöße der heißen Art mit Angehörigen des anderen Geschlechts zu bereisen. One-Night-Stands sind nicht mein Ding, und wenn man reist, dann ist eine Langzeitbeziehung auch nicht gerade günstig. Und ehrlich gesagt will ich auch gar keine Langzeitbeziehung.
Aber so ein Flirt ist nett.
Ich drehe die Lautstärke meines Kopfhörers herunter und wende mich wieder den sexy Knien zu, willens, eine nette Runde Augen-Pingpong zu spielen.
Dummerweise versperrt mir etwas die Sicht und wirft seinen höchst grazilen Schatten und eine ganz eigene Form des sauren Regens auf mich. Aufreizend klimpert sie mit den Augendeckeln. Frustriert muss ich mit ansehen, dass die umwerfende, wie aus dem Ei gepellte Stewardess, die mich beim Einsteigen so angegiftet hat, weil ich wie ein Flüchtling vom Bondi Beach aussehe, meinen attraktiven Fremdling kokett anlächelt und sich viel tiefer als nötig vorbeugt, um ihm ein Glas Champagner einzuschenken. Seine verwaschenen Shorts haben sie bestimmt nicht so angeekelt betrachtet, als er an Bord kam.
Wären wir jetzt in einem Film, dann würde sie mir den Champagner einschenken – in seinem Auftrag, mit den besten Komplimenten, mit unendlicher Hingabe und mit seiner Telefonnummer in petto. Stattdessen ist er in den Anblick ihrer stahlblauen Augen vertieft und lächelt idiotisch, als wären gerade all seine Hirnzellen betäubt und schmachtend in Ohnmacht gefallen, die kleinen Hirnzellenhändchen auf die kleinen Hirnzellenherzchen gepresst.
Ich bin eine vergessene Nummer, ein fünfzig Sekunden währender Traum, ein vergangener Flirt.
Und da wird behauptet, Frauen seien wankelmütig!
Nicky und ich haben bereits vor langer Zeit festgesetzt, dass der beste Freund des Mannes der Hund ist, weil beide auf der gleichen emotionalen Stufe stehen. Im Grunde führen Hunde das Leben, das Männer sich immer wünschen. Sie essen, schlafen, furzen laut und ungehemmt – meist, ohne ausgeschimpft zu werden -, und als Krönung bumsen sie wahllos und ohne den Zwang, ein Kondom zu tragen, über Nacht zu bleiben oder sich danach noch mal zu melden.
Überflüssig das ermüdende Ritual, uns zum Essen auszuführen, zu schmausen, zu trinken, zu flirten und so zu tun, als wären sie ernsthaft an unserem Intellekt interessiert, bevor sie zum »Nachtisch« übergehen. Wenn ein Mann damit davonkommen würde,
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