Die Höhlenkinder 3 – Im Steinhaus
hatte er für Eva gearbeitet, um ihr das Leben zu erleichtern und behaglich zu machen! Und nun war sie für ihn ein zartes »Rühr-mich-nicht-an« geworden. Bei Rauchtöpfchen und Metkrug vergaß er seinen Kummer, war willensschwach, ließ sich treiben und ahnte nicht, wie stumpf er geworden war. Was sein Sohn trieb, kümmerte ihn nicht mehr.
Hans sammelte seit geraumer Zeit allerlei Schlacken im Abraum beim Kalkofen, beim Töpfer- und Eisenschmelzofen und reihte sie in seine Sammlung nebeneinander.
Über die Entstehung dieser Rückstände gab zunächst ein verschlackter Kieselstein Auskunft, der zufällig im Kalkofen mitgebrannt worden war. Seine Oberfläche hatte sich mit einer glatten, weißen, harten und durchsichtigen Schicht überzogen. Sie konnte nur durch Zusammenschmelzen von Kiesel und Kalk entstanden sein. Vom Eisenschmelzofen waren dunkle Schlacken mit Tropfgebilden da; Hans zerschlug sie – sie waren hohl. Er erinnerte sich der Seifenblasen und fand die Erklärung: Der Gebläsehauch war in die glutflüssige Schmelze von Kalk, Kiesel und Eisen eingedrungen und hatte sie gebläht. Beim Abkühlen waren die Löcher in der Eisenschlacke geblieben. Da nahm er sich vor, alle ihm bekannten Bestandteile der Schmelzmasse zu zerreiben, zu mischen, zusammenzuschmelzen und dem flüssigen Brei mit einem langen Blasrohr, dessen unteres Ende aus gebranntem Ton sein sollte, einen großen Tropfen zu entnehmen. Den brauchte er nur aufzublasen, und dann mußte er beim Erkalten eine hohle, vielleicht durchsichtige Kugel werden. Aus diesen Kugeln wollte er, solange sie noch nicht erstarrt waren, Gefäße formen.
Klammbach-Durchbruch
Dem schönen, gewitterreichen Sommer mit seiner reichen Getreideernte folgte ein milder Herbst, und diesem ein harter Winter mit ungewöhnlich schweren Schneestürmen und Frösten. Er schien kein Ende nehmen zu wollen. Noch zur Frühlings-Tagundnachtgleiche lagen die Lehnen unter gefrorenen Schneemassen.
Als endlich der langersehnte Föhn über die Grableiten fegte und, vom Talgrund abprallend, über die Südwand emporstürmte, da stürzten die Schneewasser als Wildbäche von den Höhen; sie rollten und schoben das vom Frost abgesprengte, beim Tauen des Eises zu Tal gegangene Gestein vor sich her in den See. Dort wurden die abgelagerten Schottermassen von der Wucht der Wasser weitergedrängt und stauten sich vor der Schlucht, wo angeschwemmtes Schilf und Holz einen Damm bildeten.
Der Klammbachsee stieg zusehends. Vor den Augen der Sonnleitnerleute glänzte wieder eine einzige Wasserfläche, bedeckte den Talgrund von den Klammwänden an über den Sonnstein bis zu den alten Wohnhöhlen. Eintönig rauschte die Ache zwischen den Wänden der Klamm. Gewiß würden die Fluten wieder sinken, wenn erst die Schmelzwasser von oben versiegten. Besorgniserregend aber war die seltsame, unnatürliche Fröhlichkeit Evas, die mit den Augen von ihrem Sonnenplatz aus dem Strömen der Flut folgte. Sie wartete auf etwas Wunderbares, Erlösendes. Nach zwei schlaflosen Nächten war sie so schwach, daß sie nicht aufstehen konnte. Hans wagte nicht, sie allein zu lassen. Peter aber machte täglich auf seiner Plätte weite Fahrten kreuz und quer über den Talsee, der schon die Mauer des Saugartens bespülte. Er wußte, daß die Kranke bei Hans gut aufgehoben war, daß dessen Gesellschaft ihr wohltat. Was hätte es auch genützt, wenn er dageblieben wäre, wenn er mit ihr gesprochen hätte, wie ihm ums Herz war, sooft er sie leiden sah – wenn er ihr gesagt hätte, wie er mit Gott und den Hausgeistern haderte, die es geschehen ließen, daß ihm sein Liebstes dahinsiechte? Er hätte ihr das Herz schwer machen müssen mit der Frage, die ihn in nüchternen Stunden peinigte, mit der Frage, was aus ihm und Hans werden sollte nach Evas Tode, die allein das Leben lebenswert machte. Solange sie noch im Haus und Garten herumgegangen war, hatte er auf ihre Genesung gehofft. Jetzt hoffte er nicht mehr, er wartete nur auf das Schreckliche, dem er nicht entrinnen konnte – auf ein Leben ohne Eva.
Das Einholen von angeschwemmtem Holz und ertrunkenem Wild war für Peter nur ein Vorwand, dem Jammer im Haus zu entgehen. Nicht der Felle wegen wagte er sich auf die schwer dahinströmenden Wasser; denn an Fellen war mehr vorhanden, als die drei Menschen brauchten; je anstrengender die Arbeit außerhalb des Hauses war, um so eher vergaß er seinen Kummer. Und nach einem tüchtigen Schluck aus dem Met-Topf wurde er sogar
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