Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes (German Edition)
den Heptapod-Sprachen üben, aber keiner von uns wird je über das Niveau hinauskommen, das er oder sie zu der Zeit erreicht hatte, als die Heptapoden bei uns waren.
Die Arbeit mit den Heptapoden hat mein Leben verändert. Ich bin deinem Vater begegnet und habe Heptapod B gelernt, und beides hat mir ermöglicht, jetzt und hier auf der Veranda im Schein des Mondes mit dir zusammenzusein. Irgendwann, in vielen Jahren, werde ich ohne deinen Vater und ohne dich sein. Alles, was mir dann von diesem Augenblick bleiben wird, ist die Heptapoden-Sprache. Und so passe ich genau auf und merke mir jede Einzelheit.
Ich habe meine Bestimmung von Anfang an gekannt und entsprechend meinen Weg gewählt. Doch was strebe ich an? Höchste Freude oder äußersten Schmerz? Werde ich ein Minimum oder ein Maximum erreichen?
Diese Gedanken gehen mir durch den Kopf, als dein Vater mich fragt: »Möchtest du ein Kind?« Und ich lächle und antworte: »Ja«, und ich löse mich aus seiner Umarmung, und wir nehmen uns bei der Hand, während wir ins Haus gehen, um miteinander zu schlafen – um dich zu zeugen.
Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes
Dies ist die Geschichte eines Mannes namens Neil Fisk, und sie erzählt, wie er lernte, Gott zu lieben. Das Schlüsselereignis in Neils Leben war so schrecklich wie alltäglich: der Tod seiner Frau Sarah. Nachdem sie gestorben war, wurde Neil von Trauer überwältigt, einer Trauer, die nicht nur wegen ihrer Heftigkeit entsetzlich war, sondern auch, weil sie das, was er früher erlitten hatte, wiederaufleben ließ und sogar verstärkte. Sarahs Tod zwang ihn dazu, seine Beziehung zu Gott noch einmal gründlich in Augenschein zu nehmen, und so begann er eine Reise, die ihn für immer verändern sollte.
Neil war mit einer angeborenen Anomalie zur Welt gekommen, durch die seine linke Hüfte nach außen verdreht und um einige Zentimeter kürzer war als die rechte. Der medizinische Name dafür lautete Femurdysplasie oder Proximal Femoral Focus Deficiency (PFFD). Die meisten Leute, die er kannte, waren der Meinung, Gott sei für diese Deformation verantwortlich, doch Neils Mutter war während der Schwangerschaft nicht Zeuge einer Erscheinung gewesen; sein Zustand war die Folge eines fehlerhaften Gelenkwachstums in der sechsten Schwangerschaftswoche. Auch wenn Neils Mutter es niemals aussprach, gab sie doch Neils abwesendem Vater die Schuld am Zustand ihres Sohnes, denn sein Einkommen hätte vielleicht einen chirurgischen Eingriff ermöglicht, um das Problem zu beheben.
Als Kind hatte sich Neil hin und wieder gefragt, ob Gott ihn bestrafte, aber meistens machte er seine Klassenkameraden für sein Unglück verantwortlich. Ihre beiläufige Grausamkeit, ihr Gespür für die Schwachstellen im emotionellen Panzer ihres Opfers, die Art und Weise, wie ihr Sadismus ihren Zusammenhalt stärkte, waren für Neil ein typisch menschliches, kein göttliches Verhalten. Auch wenn seine Klassenkameraden bei ihren Hänseleien oftmals Gottes Namen im Munde führten, wusste Neil es besser und legte ihre Taten nicht Gott zur Last.
Obwohl Neil es vermied, Gott an allem die Schuld zu geben, gelang es ihm nicht, ihn zu lieben. Weder seine Erziehung, noch seine Persönlichkeit veranlassten ihn dazu, sich mit Gebeten an Gott zu wenden, er möge ihm Kraft geben oder seine Leiden lindern. Die verschiedenen Prüfungen, mit denen er konfrontiert wurde, während er heranwuchs, beruhten auf zufälligen oder menschlichen Ursachen, und Neil verließ sich ausschließlich auf menschliche Mittel, um ihnen zu begegnen. Er wuchs zu einem Erwachsenen heran, für den – wie für so viele andere auch – die Taten Gottes so lange etwas Abstraktes waren, bis sie sich auf sein eigenes Leben auswirkten. Engelserscheinungen waren für ihn Ereignisse, die anderen widerfuhren und ihn selbst nur in Form von Zeitungsartikeln und Abendnachrichten erreichten. Sein Leben verlief in weltlichen Bahnen. Er arbeitete als Verwalter eines Gebäudes mit Wohnungen der höheren Preisklasse, trieb die Miete ein und kümmerte sich um Reparaturen. Ansonsten war er der Meinung, dass sich die Dinge ganz ohne göttliches Eingreifen zum Guten oder Schlechten entwickelten.
Bis zum Tod seiner Frau blieb das sein Erfahrungshorizont.
Die Erscheinung hatte ein geringeres Ausmaß als üblich, war aber völlig gewöhnlich, was ihre Auswirkungen anging, denn sie bescherte manchen Segnungen, anderen Unheil. In diesem Fall tauchte der Engel Nathanael in einem
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