Die Hölle lacht
Figur war schlank, doch keineswegs zerbrechlich, und mit den richtigen weiblichen Formen ausgestattet, um ihr bewundernde Blicke und Pfiffe einzubringen, wo immer sich Männer aufhielten. Sie betrachtete sich in dem kleinen Spiegel an der Kabinentür und stemmte die Hände auf die Hüften. Sie war mit ihrem Aussehen weder übertrieben zufrieden noch unzufrieden. Der Busen üppig, die Taille schmal, der Bauch straff …
Mitra! dachte sie, über sich selbst fluchend. War sie schon zu lange an Bord dieses Luxusschiffs, in Gesellschaft der Gemahlinnen von Edlen und reichen Kaufleuten?
»Bin ich vielleicht eine Stadtfrau?« fragte sie sich spöttisch, »mich nach weiblichen Rundungen, weißen Zähnen und errötenden Wangen zu messen?«
Sonja tauchte Hände und Gesicht in die Waschschüssel und bespritzte sich und dabei selbst den Kabinenboden mit dem kühlen Nass, um auch den letzten Schlaf zu vertreiben. Wieder schüttelte sie das Haar und kämmte es mit den nassen Fingern. Dann betrachtete sie sich erneut im Spiegel und blickte in die saphirblauen Augen über den hohen Wangenknochen. Plötzlich griff sie wie im Übungskampf an, riss blitzschnell den Arm hoch und hatte einen Moment später dreimal mit der Spitze einer nichtvorhandenen Klinge auf die Tür eingestochen.
Sie zog sich an. Ihre Kleidung trug nicht dazu bei, ihre Figur zu verbergen. Sie hatte sie der Bewegungsfreiheit wegen gewählt – zumindest hatte sie es sich selbst gegenüber oftmals so begründet. Sie bestand aus einem kurzen Mieder aus Kettengliedern, einem Röckchen, ebenfalls aus Kettengliedern, das bis halb über die Oberschenkel reichte, und Stiefel aus kräftigem nemedischen Leder. Dazu trug sie ihr Schwert, das einst ihrem Vater gehört hatte, aus gutem hyrkanischen Stahl – es hatte sich in Sonjas Händen in vielen Kämpfen bewährt –, und Dolche um die Schenkel geschnallt.
So gekleidet musterte Sonja sich erneut im Spiegel, dann riss sie in Herzschlagschnelle das Schwert aus der Scheide und hoch, dass es im Morgenlicht schimmerte, und stieß es vor – alles in einer grazilen, sparsamen Bewegung, die absolute Sicherheit verriet –, bis eine Haaresbreite vor den Spiegel.
Lächelnd schob sie die Klinge mit einem leichten Zischen und Klacken in die Hülle zurück, sperrte die Tür auf und trat hinaus auf den Gang.
Sie stieg die Treppe zum Mitteldeck hoch, als Tio, der Kapitän der Niros, herabkam. Er lächelte Sonja zu und sein Blick blieb auf ihr haften.
»Das Frühstück wartet schon«, sagte er und hielt an. »Ihr könnt an Deck in der Sonne essen.« Sonja nickte.
Tio schenkte ihr erneut ein Lächeln und salutierte, dann ging er weiter die Treppe hinunter. Mit dem Schaukeln des Schiffes schwankte seine Masse auf den kräftigen Beinen von einer Seite zur anderen.
Sonja blickte ihm nach. Sie überlegte, wie Tios militärischer Gruß zu verstehen war. Meinte er ihn ernst oder spielte er damit auf ihre knappe Rüstung an?
Als sie sich als Passagier auf der Niros eingetragen hatte, hatte sie gedacht, es würde ihr Spaß machen, einmal eine Flussfahrt zu unternehmen, mit einem Schiff voll aquilonischen Edlen und wohlhabenden Leuten. Es hatte ihre Neugier gereizt. Sie – eine Kriegerin, eine Reiterin, eine Fechterin, manchmal eine Ausgestoßene, und immer mit dem Schicksal spielend und es herausfordernd – in Gesellschaft verzärtelter feiner Damen und ihrer verweichlichten Gatten: Männer der Politik, Ratsleute und selbstgefällige Hüter der gesellschaftlichen Ordnung. Ja, sie hatte geglaubt, es würde interessant werden.
Ihre Neugier war schon in der ersten Stunde gestillt worden, und seither war sie selbst der Mittelpunkt der Neugier aller anderen an Bord. Nicht, dass alle Passagiere der Niros vornehme, hochgestellte Persönlichkeiten gewesen waren. Alle, die den Fahrpreis bezahlen konnten, waren an Bord willkommen, und so waren viele hier einfache Kaufleute - manche vielleicht reicher als andere –, Bankiers, und auch einige von niedriger gesellschaftlicher Stellung, und jeder hatte seinen eigenen Grund für diese Flussfahrt. Doch sie alle wurden als das, was sie waren, erkannt und als das hingenommen. Aber Sonja …
Die Rote Sonja, die das Gesicht nur wusch und nicht zurechtmachte wie andere Frauen, die das Haar bloß mit den Fingern kämmte, die fluchte und redete wie ein Soldat, die Rüstung und Schwert wie ein Söldner trug …
Aber eine junge Frau von natürlicher Anmut und Persönlichkeit und großer Schönheit, die den
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