Die Hüterin der Wölfe (Die Steinzeit-Trilogie) (German Edition)
lustig, obwohl Pinaa davon überzeugt war, dass er nicht mal alle Zutaten für eine Heilsalbe kannte. Sie ignorierte ihn und bat lieber die Geister um Hilfe für Minoo, was den Hohn der anderen Kinder erneut anfachte.
Als die Männer ohne Beute von der Jagd und die Frauen mit einigen gesammelten Wurzeln zurück kamen, waren die beiden Ausreißer Gesprächsthema Nummer Eins und Pinaa hörte sich eine laute und sehr lange Predigt ihres Vaters darüber an, wie gefährlich es sowieso schon sei, allein in der Wildnis herumzuschleichen und wie sie darauf kam, dass sie Dinge könnte, die Beschwörer über viele Winter gelernt, geübt und perfektioniert hätten und wie es sein konnte, dass sie nun auch andere Sippenmitglieder mit ihren Träumereien gefährde und verletzte. Ob es nicht reiche, dass ihre Mutter bei einem ähnlichen Ausflug getötet worden sei. Letzteres traf Pinaa hart, sie machte sich furchtbare Vorwürfe wegen Minoo, auch wenn es diesem schon viel besser ging und er bei allen beteuerte, dass der Schnitt nicht beabsichtigt gewesen sei und Pinaa nur versucht hatte zu helfen.
Trotzdem dachte Pinaa danach wieder oft an ihre Mutter. Sie war wunderschön gewesen und stark, aber auch dickköpfig. Sie war gern mit den anderen Frauen unterwegs gewesen und hatte auch gern die Kinder gehütet. Pinaas Vater hatte die Mutter sehr geliebt und immer unterstützt. Und doch hatte ihr offenbar immer etwas gefehlt. Gelegentlich ging sie allein los und durchstreifte nahegelegene Wälder, um seltene Kräuter zu suchen. Sie hatte ein Gefühl dafür, wo die Pflanzen zu finden waren und kam fast immer mit reicher Beute zurück. Der Vater machte sich immer Sorgen, konnte sie jedoch nicht von ihren Streifzügen abhalten oder sie überreden, sich begleiten zu lassen. Er liebte sie so wie sie war und darum fand er sich damit ab und ließ sie gewähren.
Er merkte recht bald, dass ihre kleine Tochter genau wie die Mutter war und lernte, auch Pinaas Dickköpfigkeit und Freiheitsbestreben mit einem gewissen Gleichmut zu begegnen. Doch vor etwa einem Winter kam die Mutter von einem ihrer Ausflüge nicht zurück. Sie war immer lange vor Einbruch der Dunkelheit zu ihrer Familie zurück gekehrt und als sie nach fortgeschrittenem Sonnenabstieg immer noch nicht wieder aufgetaucht war, wusste der Vater, dass er sie nicht gesund wiedersehen würde. Sie suchten in der verbleibenden Zeit und beim nächsten Sonnenaufgang die nahe Gegend in der Richtung ab, in der sie das Lager verlassen hatte, fanden aber keine Spur von ihr.
Jeder wusste, dass es gefährliche Tiere gab. Bären, Wölfe, Luchse … möglicherweise war die Mutter auch von einer anderen Sippe geraubt worden. Doch eigentlich kannten sie alle Sippen in dieser Gegend, manchmal benutzten sie dieselben Lagerplätze und es hatte bisher keine Streitigkeiten oder Probleme gegeben. Man nahm also an, dass sie zu den Geistern gegangen war.
Danach hatte Pinaa einige Aufgaben ihrer Mutter übernehmen müssen, um den Vater zu stützen. Sie hatte ihre eigenen Wünsche zumindest etwas zurückstellen müssen. Und der Vater konnte sich nach diesem Vorfall nicht mehr schützend vor ihre Dummheiten stellen. Obwohl er es wollte. Das spürte sie.
Pinaa hatte sich nach dem Vorfall mit Minoo und den folgenden trüben Gedanken an die Mutter vorgenommen, sich auf sich selbst und zunächst auf den Kontakt zu den Geistern und Göttern zu konzentrieren und Minoo nicht mehr in ihre Versuche hineinzuziehen. Sie wollte nicht, dass auch er unter ihren Bestrebungen, ihre Träume zu verwirklichen, leiden musste. Die Sippe hielt sie sowieso schon für eine Außenseiterin, das musste nicht auch für Minoo gelten, der ansonsten ein umgängliches und verantwortungsvolles Mitglied der Sippe war und sicher ein guter Jäger werden könnte. Es war wichtig, dass die Sippe zusammenhielt und zusammenarbeitete, das wusste Pinaa. Und sie wollte auch dazu beitragen, denn der Zusammenhalt sicherte das Überleben. Aber sie war sicher, dass sie mehr konnte als Nahrung sammeln und Kleidung nähen. Und mehr wollte.
Ihre Überzeugung, dass sie zu einer Beschwörerin und Heilerin bestimmt war, war trotz einiger gescheiterter Versuche und der Ablehnung durch fast die gesamte Sippe, immer noch ungebrochen. Sie spürte, dass sie eine innere Kraft hatte, die sie zum Heil ihrer Familie und der Sippe einsetzen konnte. Sie fühlte manchmal nachts in der Dunkelheit den Kontakt zu den Geistern. Den Geistern der Ahnen und der Tiere. Sie wusste,
Weitere Kostenlose Bücher