Die Insel der Roboter
brauchte Robotermaschinen, die mit den Fähigkeiten und Fertigkeiten menschlicher Arbeiter ausgerüstet waren, aber eine fünfjährige Arbeitszeit unter extremen Bedingungen überstehen konnten.
Der ganze Komplex Extremwert-Technologie war auf die RGW-Mitgliedstaaten aufgeteilt worden. Vereinigte Forschungsinstitute hatten die Entwicklungsarbeiten durchgeführt, aber bei der Produktion der Anlagen mußte man die vergangenen und künftigen Profile der nationalen Volkswirtschaften berücksichtigen. Schließlich umfaßte diese Etappe der wissenschaftlich-technischen Revolution alle Grundstoffindustrien, so daß eine Arbeitsteilung unvermeidlich war. Die Roboterproduktion war die Aufgabe, die unserer Republik dabei zufiel, und die ersten drei Prototypen dieser Roboter sollten auf der INSEL montiert und getestet werden – eine relativ kleine Teilaufgabe, aber von zentraler Bedeutung. Ein wichtiger Teil meiner Aufgabe sollte darin bestehen, an dieser Arbeit vom Standpunkt der gegnerischen Strategie aus teilzunehmen, das heißt also, herauszufinden, wo diese Roboter angreifbar waren; denn weil sie der einzige gemeinsame Punkt aller Extremwert-Technologien waren, stellten sie auch den geeignetsten Angriffspunkt für den Gegner dar.
Da ich mich durch meine Tätigkeit in der Elektronik etwas auskannte, war mir sofort klar, daß diese Roboter nicht mehr, wie bis dahin alle derartigen Geräte, determiniert arbeiten konnten, also nach festen, vorgegebenen Programmen; denn wäre das möglich, das heißt also, wäre eine vertretbare kleine Anzahl von festen Programmen ausreichend, brauchte man sie gar nicht. Nein, sie mußten stochastisch sein, mußten lernen können – und wahrscheinlich noch mehr. Horst Heilig hatte mir die ausführliche Bezeichnung dieser Geräte mitgeteilt: Stochastische Roboter mit Emotionsschaltung und innerem Umweltmodell, kurz Storo genannt. Das ging mir nun im Kopf herum, ich verstand es durchaus noch nicht in seiner vollen Tragweite, aber soviel war mir klar: Ein Riesenschritt nach vorn! Ich war gespannt auf ihre Bau- und Arbeitsprinzipien. Aber würde ich dieser Aufgabe auch gewachsen sein? Schließlich war ich kein Wissenschaftler. Und hatte ich nicht viel zu schnell meine Aufgabe in meiner Einheit vergessen, die ich noch vor ein paar Stunden um keinen Preis unterbrechen wollte? Und auf deren Lösung ich nun gar keinen Einfluß mehr nehmen konnte? Denn es sah doch so aus, als sollte ich keine Gelegenheit mehr haben, in meinem Panzerregiment alles ordnungsgemäß zu übergeben.
Wir waren seit einiger Zeit wieder auf der Autobahn. In diesem Moment steuerte Horst Heilig auf einen Parkplatz und wies mit einer Kopfbewegung zu einem vorbeifahrenden Wagen hin. »Der hat uns schon mal überholt!« sagte er mißtrauisch.
»Muß das etwas bedeuten?«
»Muß nicht«, antwortete er und fügte nach einer Weile hinzu: »Wir ändern auf jeden Fall die Fahrtroute.«
»Erwarten Sie Sabotage?« fragte ich.
Er wiegte den Kopf. »Man könnte es so nennen. Aber es trifft den Sachverhalt nicht ganz. Der Kampf wird ganz neue Dimensionen annehmen, weil ja auch das Projekt neue Dimensionen hat. Sabotage im herkömmlichen Sinn kann eine Rolle dabei spielen, aber wohl nur eine untergeordnete. Dieser Kampf wird weniger mit Fäusten und Sprengladungen ausgetragen, mehr mit Gehirnen. Wir müssen nicht in erster Linie den Gegner beschleichen, sondern seine Gedanken. Abenteuerlich im alten Sinne wird es kaum werden. Aber ich kann mich auch irren. Wir werden sehen.«
Ich wußte damals noch nicht, was dieses »wir werden sehen« mir noch bringen sollte. Meine Gedanken waren immer noch darauf gerichtet, innerlich mit dieser Wende in meinem Leben fertig zu werden, und ich fragte deshalb nach einigem Überlegen vorsichtig: »Es kommt doch jetzt, wenn ich richtig verstehe, darauf an, möglichst wenig Staub aufzuwirbeln?«
»Ja, so kann man sagen«, bestätigte Horst Heilig.
»Wäre es dann nicht besser, wenn ich zu Hause, also in meinem Regiment, alles ordnungsgemäß übergeben würde? Eine normale Kommandierung ist weniger ungewöhnlich, auch wenn ihr Ziel geheimgehalten wird. Das würde auf unserm Gebiet sogar jeder verstehen. Aber wenn jemand plötzlich verschwindet…«
Horst Heilig lachte laut. »Sie sind aber hartnäckig! Trotzdem, der Gedanke ist nicht falsch. Gut, machen wir’s so. Ich spreche von Jena aus mit Ihrem General. Wie lange brauchen Sie?«
Ich rechnete, »Zwei Tage, wenn der Nachfolger da ist.«
Horst
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