Küchenfee
Kapitel 1
Verdammt, verdammt, verdammt!« Lilli Berger fluchte zwischen zusammengebissenen Zähnen, während sie fieberhaft mit einem Quirl in einer kleinen gusseisernen Pfanne rührte. Die orangefarbene Flüssigkeit blubberte laut, und schließlich traf ein dicker Spritzer ihre linke Hand. Sofort bildete sich eine große Brandblase. Keine Zeit, sich darum zu kümmern. Das gehörte, wie Schnitte und Verbrennungen, zum Alltag in einer Restaurantküche. Sehr treffend hatte irgendjemand mal gesagt, Profiköche trügen die Narben an ihren Händen wie Generäle ihre Orden, als sichtbare Beweise siegreich geschlagener Schlachten.
Die Schlacht um die Orangensauce allerdings war keineswegs geschlagen und siegreich erst recht nicht. Die Sauce in der Pfanne war weit davon entfernt, die gewünschte Sämigkeit zu erreichen.
»Mist, warum willst du nicht …« Ihr Schimpfen ging im Scheppern zu Boden fallender Topfdeckel unter.
»Wo bleibt die Orangensauce für die Entenbrust?« Monsieur Pierres Bariton war die Ungeduld deutlich anzuhören. »Und, verflucht noch mal, wer ist hier zu dumm, einen Topfdeckel festzuhalten?«
In der nächsten Sekunde stand der Chefkoch schon neben Lilli am Herd und starrte ihr aus nächster Nähe missbilligend ins Gesicht. Er hatte die Hände in die Hüften gestemmt und wippte ungeduldig vor und zurück. Im Hintergrund versuchte die zu Tode erschrockene Spülhilfe hektisch, sich und die Topfdeckel aus der Gefahrenzone zu bringen.
»Soso, Sie wollen also dem Polizeipräsidenten das Mittagessen versauen? Oder will Madame Berger mich wie üblich bloß quälen? Hm?«
Lilli ließ ihre Sauce nicht eine Sekunde aus den Augen. Das hatte sie schon als Lehrling gelernt: die Wutanfälle des Küchenchefs stoisch über sich ergehen zu lassen, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen.
»Und, Madame Lilli, ich bestehe darauf, dass Sie endlich eine vernünftige Kopfbedeckung tragen. Ich werde diese Hippie-Tücher in meiner Küche nicht länger dulden.«
Monsieur Pierre schnaufte erbost.
Lilli drehte sich schwungvoll zu ihrem Chefkoch um und strahlte ihn an. »Hier ist die Orangensauce, oh göttlicher Maître, möge sie dem Herrn Polizeipräsidenten zur Stärkung gereichen.«
Aus Richtung der Spüle erklang ein leises Kichern.
Blitzschnell fuhr Monsieur Pierre herum und stürzte sich auf die Spülhilfe. »Was fällt Ihnen ein? Hm? Hm? Was ist denn hier so komisch?«, brüllte er die junge Punkerin an. »Und was sollen überhaupt diese Metallknöpfe in Ihrem Gesicht? Sich derart zu verschandeln! In meiner Küche...«
Erschrocken riss das Mädchen in einer Abwehrbewegung den Spülschlauch hoch, sodass Monsieur Pierre plötzlich in einer Wasserkaskade stand, die ihm die Kochmütze vom Kopf spülte und damit seine verhassten Geheimratsecken zum Vorschein brachte.
Lilli konnte sich nur mühsam beherrschen. Einer musste schließlich in diesem Chaos die Ruhe bewahren und sich um die zur Nebenrolle degradierte Entenbrust kümmern, denn der aufgebrachte Koch und das junge Mädchen rangen weiter um den Schlauch. Wasser spritzte durch die Küche.
Lilli tranchierte das saftige, perfekt rosa gegarte Fleisch und richtete die Scheiben auf einem Saucenspiegel an. In letzter Sekunde rettete sie das Kartoffelgratin davor, ertränkt zu werden, und legte eine Portion auf den Teller. Ein Fächer aus marinierten Orangenfilets komplettierte das Gericht.
Lilli eilte mit dem Teller durch die Schwingtür zur Durchreiche für den Service und betätigte die Klingel. Sie zog eine pinkfarbene, gerade aufblühende Pfingstrosenknospe aus dem Strauß, der neben der Öffnung stand. Mit einem scharfen, kleinen Messer trennte sie sämtliche grünen Blätter vom Stiel, bis dieser vollkommen glatt aussah.
Vanessa Kamlots Gesicht erschien in dem kleinen Fenster.
»Lilli, endlich«, zischte sie. »Was ist denn da für ein Radau bei euch in der Küche? Man kann euch bis hier draußen hören!«
Lilli kürzte den Stiel der Pfingstrose und legte die Knospe auf den Teller. »Perfekt«, sagte sie.
»Perfekt«, bestätigte Vanessa und schnappte sich den Teller. »Aber ich möchte trotzdem gleich wissen, was bei euch los war.«
Durch das Fenster der Durchreiche sah Lilli, dass der Polizeipräsident die Blüte vom Teller nahm und Vanessa mit einer kleinen Verbeugung überreichte. Diese nahm die Blume huldvoll entgegen und kam dann lächelnd auf Lilli zu. »Der Herr Polizeipräsident schickt sein Kompliment an die Küche. Und seinen Dank,
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