Die Insel des Dr. Moreau
lehnte eine stille, schwarze Gestalt und beobachtete die Sterne. Es war Montgomerys unheimlicher Begleiter. Er blickte bei meiner Bewegung schnell über die Schulter und sah dann wieder weg.
Es mag Ihnen als eine unbedeutende Kleinigkeit erscheinen, aber ich war wie vom Schlag getroffen. Das einzige Licht in unserer Nähe kam von einer Laterne am Steuer. Das Geschöpf wandte sich für den Bruchteil einer Sekunde gegen diese Beleuchtung, und ich sah, daß die Augen, die mich anblickten, blaßgrün funkelten.
Ich wußte damals nicht, daß - zumindest ein rötliches - Leuchten in menschlichen Augen nicht selten ist. Mir kam das ganz und gar unmenschlich vor. Diese schwarze Gestalt mit ihren Feueraugen stürzte all meine Begriffe und Empfindungen um, und einen Moment traten mir die vergessenen Schrecken der Kindheit wieder vor Augen. Dann verschwand dieses Entsetzen so schnell, wie es gekommen war. Eine wunderliche schwarze Menschengestalt, eine Gestalt ohne besonderen Belang, beugte sich über die Reling und betrachtete das Sternenlicht, und ich hörte, wie Montgomery zu mir sprach.
»Ich denke, wir gehen hinein«, sagte er, »wenn Sie hiervon genug haben.«
Ich antwortete ihm benommen. Wir gingen hinunter, und er wünschte mir an der Tür meiner Kabine gute Nacht.
Ich hatte ein paar sehr unerfreuliche Träume. Der abnehmende Mond ging spät auf. Sein Licht warf einen blassen, weißen Strahl durch meine Kabine und zeichnete auf die Planken bei meiner Koje eine unheimliche Lichtfigur. Dann wachten die Hetzhunde auf und begannen zu heulen und zu bellen, so daß ich vor der Dämmerung des Sonnenaufgangs kaum mehr Schlaf fand.
5
Der Mann,
der nicht wußte,
wohin gehen
Am frühen Morgen - es war der zweite Morgen, nach dem ich mich erholt hatte, und, so glaube ich, der vierte, seit ich aufgefunden worden war - erwachte ich aus einem Wirbel aufwühlender Träume, Träume von Kanonen und heulendem Pöbel, und ich hörte heiseres Rufen über mir. Ich rieb mir die Augen und lauschte auf den Lärm, ohne zunächst zu wissen, wo ich war. Dann vernahm ich das Trappeln nackter Füße, den Lärm schwerer Gegenstände, die umhergeworfen wurden, und ein heftiges Kreischen und Rasseln von Ketten; hierauf das Geräusch des Wassers, als das Schiff plötzlich gewendet wurde. Eine schäumende gelbgrüne Welle schlug an dem kleinen runden Fenster vorbei. Ich schlüpfte eilig in meine Kleider und ging an Deck.
Als ich die Leiter heraufkam, sah ich gegen den rötlichen Himmel - denn die Sonne ging gerade auf - den breiten Rücken und das rote Haar des Kapitäns und über ihm den Puma, der an einem Flaschenzug baumelte, welcher am Giekbaum des Besanmastes hing. Das arme Tier schien furchtbare Ängste auszustehen und kauerte am Boden seines kleinen Käfigs. »Über Bord damit!« schrie der Kapitän. »Über Bord damit! Wir wollen das Schiff bald wieder sauber haben.«
Er stand mir im Weg, so daß ich ihn notwendigerweise streifen mußte, um an Deck zu kommen. Er drehte sich erschrocken um und stolperte ein paar Schritte zurück, um mich anzustarren. »Hallo!« sagte er stumpfsinnig, und dann begannen seine Augen zu funkeln. »Ah, das ist Mister - Mister -?«
»Prendick«, sagte ich.
»Prendick, zum Henker!« sagte er. »Beendigt - Prendick - Beendigt!«
Es lohnte nicht, dem Grobian zu antworten. Aber was er dann tat, hatte ich nicht erwartet. Er streckte die Hand zum Fallreep, wo Montgomery mit einem untersetzten, weißhaarigen Mann in schmutzigem blauem Flanell stand, der offenbar gerade an Bord gekommen war. »Da hinaus, Mister Beendigt. Da hinaus«, brüllte der Kapitän.
Montgomery und sein Gefährte drehten sich um, während er schrie.
»Was meinen Sie damit?« fragte ich.
»Da hinaus, Mister Beendigt - das meine ich. Über Bord, Mister Beendigt - und zwar flott. Wir machen das Schiff klar, das ganze Satansschiff sauber. Und Sie gehen über Bord.«
Ich starrte ihn verblüfft an. Warum eigentlich nicht? dachte ich mir. Die Aussicht auf eine Reise als einziger Passagier mit diesem zanksüchtigen Trinker war alles andere als verlockend. Ich wandte mich zu Montgomery.
»Kann Sie nicht aufnehmen!« sagte Montgomerys Gefährte kurzangebunden.
»Sie können mich nicht aufnehmen?« stammelte ich erschrocken. Er hatte das vierschrötigste und entschlossenste Gesicht, das ich je erblickt hatte.
»Sehen Sie«, begann ich, indem ich mich zum Kapitän wandte.
»Über Bord«, sagte der Kapitän. »Dieses Schiff steht nicht länger
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