Die Juedin von Toledo
wollen. Wir wollen das Eigentum des Königs nicht schädigen. Ich habe meine Wache mit, auf daß niemand das Eigentum der Majestät schädigt und daß niemand die Beete des Gartens betritt.« Der Türhüter war unentschlossen. Inzwischen aber waren einige über die nicht hohe Mauer geklettert, sie zogen den Türhüter zur Seite, ohne Gewalt, der Castro ging durch das Tor, ihm nach seine Bewaffneten, ihnen nach die Menge.
Die Leute schoben sich langsam voran, die Gärten bewundernd, über die bekiesten Wege, dem Schlosse zu. Auf einmal war Belardo da. Er trug das Lederkoller, die Lederkappe und die Hellebarde des Großvaters. »Der edle Herr belieben, Doña Raquel sprechen zu wollen?« fragte er beflissen. »Unsere Herrin ist in ihrem Gemach auf der Estrade«, plapperte er. »Ist der edle Herr angemeldet? Soll ich ihn melden?« – »Führ uns zu ihr«, sagte der Castro.
Sie folgten Belardo ins Haus, der Castro, seine Soldaten, einige aus der Menge, nicht viele. Gelangten in den Raum Raquels. Mit einemmal lag die Hitze des Gartens, die blendende Weiße der Mauer, der Staub der Straße, die man schwitzend und lärmend gezogen war, meilenweit hinter ihnen, und um sie war die Stille des kühlen, dämmerigen, fremdartigen Raumes. Sie hielten sich in der Nähe des Eingangs, ernüchtert, leicht verwirrt.
Die Estrade, auf der Jehuda und Raquel saßen, war durchein niedriges, in der Mitte weit offenes Geländer von dem übrigen Raum getrennt. Jehuda, als sie kamen, erhob sich langsam; da stand er, eine Hand leicht auf das Geländer gestützt, und musterte die Eindringlinge, gelassen, fast spöttisch, wie es dem Castro schien. Raquel war nicht aufgestanden. Sie saß, die Stirne halb bedeckt von dem kleinen Schleier, auf ihrem Diwan und schaute, auch sie ruhigen Auges, auf den Castro und die Seinen. Vom Pátio her hörte man das leise Plätschern des Springbrunns und, sehr weit und gedämpft von der Straße her, den Lärm der Menge. Sie wiederholten immer das gleiche, die draußen, doch konnte man’s nicht verstehen. Der Castro verstand; er wußte, sie schrien: »Gott will es!« Und: »Matad, matad! Schlagt tot!«
Jehuda sah die rohen Gesichter der Soldaten und ihres Führers, er sah den schlauen, furchtsamen, höflichen, dummen Gärtner Belardo und sogar auf dessen Gesicht die Gier, zu töten, er ahnte, was das Geschrei draußen bedeutete, er wußte, er hatte nicht mehr viele Minuten zu leben. Furcht würgte ihn. Er suchte sie zu vertreiben durch Denken. Zu einem jeden kommt der Zerstörer aller Dinge, und er selber hat es so gewollt, daß er hier und jetzt zu ihm komme. Er hat schon vor Tagen seine Rechnung abgeschlossen. Er hat viel Eitles getan, und manches Gute nur deshalb, weil er mehr hat sein wollen als die andern. Aber es war ihm erlaubt: er war mehr als die andern. Er sah die Spruchbänder ringsum, sie rühmten den Frieden. Er hat der Halbinsel Jahre hindurch Frieden und Blüte bewahrt. Und noch sein Sterben wird manchem zum Segen. Diese armen Mörder werden sehr bald bereuen, was sie tun; sie werden sich nicht an andere heranwagen, er wird gestorben sein zum Segen seiner fränkischen Flüchtlinge. Dann würgte von neuem eisige Furcht ihm das Denken ab. Sein Gesicht aber blieb die gleiche stille, leicht spöttische Maske.
Auch Raquels Gesicht blieb ruhig. Alfonso hatte ihr aufgetragen, in der Galiana zu bleiben, Alfonso war hier der Herr, was konnte dieser fremde Mensch ihr tun? Sie befahl sich, furchtlos zu sein, würdig Alfonsos; er wollte es, daß die Frau,die er liebte, furchtlos sei. Und er hatte ihr versprochen, zu kommen. Sie blieb reglos. Aber ihr Körper spürte den herannahenden Tod, und Angst schnürte ihr das Herz ab.
Die Eindringlinge standen noch immer an den Wänden und wußten nicht, was tun. Eine halbe Minute hindurch, eine Ewigkeit hindurch, tat keiner den Mund auf.
Da, mit einem Male, pludderte Belardo: »Der edle Herr wollte nicht gemeldet werden, Dame.«
Und jetzt sprach auch der Castro: »Stehst du nicht auf, Jüdin, wenn ein Ritter zu dir kommt?« sagte er mit seiner derben, quäkenden Stimme. Raquel antwortete ihm nicht. Plötzlich überkam ihn Zweifel. »Oder bist du Christin?« fragte er. Dann hätte er hier nicht eindringen dürfen. Aber Belardo beruhigte ihn. »Unsere Herrin Doña Raquel ist keine Christin«, sagte er.
Der Castro rötete sich. Es verdroß ihn, daß er sich von ihrer gespielten Vornehmheit hatte hereinlegen lassen. Raquel gewahrte seine aufsteigende Wut, und
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